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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 10 (2. Februarheft 1917)
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Avenarius, Ferdinand: Klinger, die Gegenwart und die Zukunft
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Hoffmann, Paul Theodor: Vom Unbewussten: zu Eduard v. Hartmanns 75. Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0189

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„Phantasien zum Thema Christus". Dann dasjenige Werk, das Antike
und Neuzeit tragisch zusammenführt, der „Christus im Olymp«, das mach«
tigste aller deutschen „tzistorienbilder". Und sie: die griffelkünstlerischen
Menschheitstragödien „Ein Leben", „Cine Liebe^, „Vom Tode^. Die
Wundergebilde der „Brahmsphantasie^ mit dem „Schicksalslied" lönen
dazwischen. Wer nacherleben konnte und nacherlebt hat, was rn all diesen
Werken vom prometheischen Funken sprüht, wen ihr seelischer Gehalt „zer-
malmt und erhebt", der weiß, daß die deutsche Kunst seit Goethe und
Beethoven nichts Gewichtigeres aus den Tiefen geschöpft hat.

Dabei haben wir vom Plastiker Klinger noch kaum gesprochen. A

Vom Unbewußten

Zu Eduard v. chartmanns 75. Geburtstage
A^^.m ^870 hatte Hartmanns damals kurz vorher erschienenes Werk
^ I „Philosophie des Unbewußten" einen blendenden Ersolg. Aber so
^^rasch, wie er anstieg, schwoll dieser Erfolg wieder ab. Und unsere
jetzige Kriegszeit, so stark in ihr auch das philosophische Bedürfnis ist,
hat nicht wie jene von 70/7j. das Verlangen nach tzartmannschem Pessi-
mismus wachwerden lassen. Das Weltbild, das Hartmann gab, war doch,
im ganzen genommen, nur ein schwächerer Nachglanz des Werkes seines
unvergleichlich genialeren Vorgängers Schopenhauer. Aber, wenn es
nicht das Weltbild selbst sein kann, so ist doch ein anderes aus tzartmanns
Werk würdig, vor Vergessenheit gehütet zu werden.

Alle Weltanschauung wird durch Zweierlei bedingt: durch das zugrunde
gelegte Material, den Stoff, und durch die den Stoff zu einem einheit-
lichen Weltbilde verschmelzende Seele. So wie die Leydener Flasche
den auf der Isolierplatte liegenden Staub des Bärlappsamens zu den
verschiedensten Bildern ordnet je nach Art und Stärke ihrer Ladung, so
elektrisiert jeder Mensch die regellose Materie zu seinem Kosmos,
zu seinem Weltbilde. Aber zuvor durcharbeitet und erarbeitet er die
Materie. Und oft ist das, was er an Stoff herausarbeitet, bedeutsamer
als das, was er aus ihm formt. So erscheint uns auch wichtiger als
das Weltbild tzartmanns das, was er zu dessen Schaffung an Stofflichem
herbeibrachte: die Bausteine des „A.nbewußten".

Zwar hat er diesen Begriff nicht ganz eindeutig durchgeführt. Aber
eben das war schon eine bedeutende Tat: das Anbewußte in seinem Wir-
ken und Schaffen durch das ganze Batur- und Geistesleben hin aufzu-
weisen. tzartmann zeigt, wie es organismusbildend wirkt vom Proto-
plasma bis zum Menschen. Er führt uns auf die blühende Wiese zu den
Blumen. Die organische Bildungsfähigkeit arbeitet hier „nach einer typi-
schen Gattungsidee, welche zwar in Betreff der Zahl der Aste, Blätter usw.
einen großen Spielraum läßt, aber nichtsdestoweniger doch völlig bestimmt
ist in dem Gesetze der Stellung der Blätter, der Blattform, Blüte und
inneren Struktur." Die Zellen sind gleichsam chemische Werkstätten,
deren jede ganz bestimmt und zweckmäßig arbeitet und am Aufbau der
Pflanze hilft. Der junge Schaft steigt aus der dunklen Erde; ihre
Säfte und Kräfte drängen in ihm empor und verdichten sich mit unbewuß-
ter Zielstrebigkeit zur Blüte, die mittels Duft, Farbe und Gestalt das
Liebeswerben mit der wehenden Luft und der summenden Biene beginnt
zur Befruchtung, zur Erhaltung ihrer Art.
 
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