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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1917)
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Schumann, Wolfgang: "Neuorientierung" als Schlagwort und als Sache
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0130

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„Neuorientierrmg" als Schlagwort und als Sache

^W^ieser wunderbare Geist, der die tzerzen des deutschen Volkes durch-
^-F/glüht in nie gesehener Einigkeit, er muß und wird siegreich bleiben.

» Und, rneine Herren, wenn ein ruhmvoller, ein glücklicher Frieden
erkämpft sein wird, dann wollen wir diesen Geist hochhalten als das hei-
ligste Vermächtnis dieser furchtbar ernsten und großen Zeit. Wie vor einer
Zaubergewalt sind die Schranken gefallen, die eine öde und dumpfe
Zeitlang die Glieder des Volkes trennten, die wir gegeneinander
aufgerichtet hatten in Mißverstand, in Mißgunst und in Miß-
trauen. Eine Befreiung und eine Beglückung ist es, daß nun einmal
dieser ganze Wust und Unrat weggefegt ist; daß nur noch der Mann
gilt, einer gleich dem anderen, einer dem anderen die tzand reichend für
ein einiges, heiliges Ziel. Ich wiederhole noch einmal das Wort, das
beim Ausbruch des Krieges der Kaiser gesprochen hat: Ich kenne keine
Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche. Wenn der Krieg vorüber
ist, werden die Parteien wiederkehren. Denn ohne Parteien, ohne politi-
schen Kampf kein politisches Leben auch für das freieste und einigste Volk!
Aber kämpfen wollen wir dafür — und ich an meinem Teile verspreche es
Ihnen — kämpfen wollen wir dafür, daß es in diesem Kampfe nur mehr
Deutsche geben darf."

Am 2. Dezember waren solche Worte des Reichskanzlers ein vom
Volke dankbar und begeistert aufgenommener Ausdruck für den Lebens-
willen und das Zeitgefühl tzunderttausender. In stetem Gedanken an
sie und an die Tage, die sie emporgetrieben hatte, bildete sich in Deutsch-
land die allgemeine Erwartung einer neuen Zeit, der Wunsch nach „inne-
rer Neuorientierung". Nicht als ob wir plötzlich zu der Lrkenntnis
gekommen wären, daß etwas, oder gar: was faul war im Staate. Nein,
ein Versprechen schien gegeben, daß mit dem Frieden eine neue Zeit an-
brechen solle, so oder so, jedenfalls eine Zeit andrer Atemluft, andrer Mög-
lichkeit der Betätigung, andren Lebens- und Staatsgefühls. Mehr als

Februarheft ^9^7 (XXX, 9)
 
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