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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 12 (2. Märzheft 1917)
DOI Artikel:
Corbach, Otto: Ernährungspolitik
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Schwedische Stimmen: Bücher der Zeit 10
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0313

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Verbraucher gar nrcht in der wirtschaftlichen Lage, durch maßlose Preis»
erhöhungen zu versuchen, die in der landwirtschaftlichen Bevölkerung doch
besonders stark entwickelte Naturgewalt des Hanges an herkömmlichen
Gewohnheiten zu überwinden. Die außergewöhnlichen Amstande erforderten
außergewöhnliche Mittel, um die Erzeuger anzuspornen, mehr Nah»
rungsmittel als gewöhnlich hervorzubringen und im besonderen mehr
solcher, an denen es unter den Kriegsverhältnissen am meisten mangelte.
Aber man ließ es fast seine einzige Sorge sein, die auf Kauf angewiesenen
Verbraucher dazu zu erziehen, mit den jeweils für sie verfügbaren
Vorräten so gut wie möglich auch auszukommen. Mochte der Käufer den
Schmachtriemen immer enger schnallen, der Erzeuger spürte dessen Hun«
ger nicht, er brauchte sich tatsächlich bis in die jüngste Zeit in seinen Be-
dürfnissen nicht allzusehr zu beschränken. Gern mag anerkannt werden,
daß unsere Landwirte zum Teil unter unglaublichen Schwierigkeiten ihre
Betriebe im Kriege im Gange erhalten und dadurch der Gesamtheit un«
bezahlbare Dienste geleistet haben. Aber das kann nicht entschuldigen,
daß die Regierenden bei der Aufgabe fast völlig versagt haben, die Be-
dürfnisse der aus Kauf angewiesenen Verbraucher bei den Erzeugern nach»
drücklich geltend zu machen. Auch vor einem natürlich mit großer Vorsicht
anzuwendenden Änbauzwang hätte man nicht überall zurückschrecken dürfen.
tzeute noch hat der städtische Verbraucher auf die Beschaffung seiner not-
wendigsten Lebensmittel so wenig Einfluß, daß ihm jeder Landrat das
Beziehen geringer Mengen von Kartoffeln aus einem ländlichen Kreise
verbieten kann, auch dann, wenn er selbst EigenLümer des Ackers ist, von
dem die Kartoffeln geerntet wurden.

Die Aufgabe einer Versorgung des ganzen Volkes mit Lebensmitteln
zu mäßigen, dauerhaften Preisen wird nicht mit dem Kriege von der
Lagesordnung verschwinden. Gelingt es nicht, dieses Problem zu lösen,
so werden fortgesetzte, mit wachsender Erbitterung geführte Lohnkämpfe
in der Industrie die Folge sein. Und wie werden Staat und Gemeinde
hoffen können, sich ein treues, zuverlLssiges, ruhiges Beamtentum zu er«
halten, wenn die Lebensmittelpreise rascher stefgen, als die Besoldungen
erhöht werden können? Löhne und Gehälter sind keine Schrauben ohne
Ende; schon vor dem Kriege Hatten die sozialen Verhältnisse einen Punkt
erreicht, wo die wirksamsten Ausstandsbewegungen sich als unfählg er-
wiesen, durch Lohnsteigerungen die Wirküng der wachsenden Teuerung
wettzumachen. Nach dem Kriege wird sich diese Verschiebung des Schwer»
punktes der sozialen Frage noch mehr geltend machen. Die Sorge um
höhere Löhne muß dann bei den nach besseren Lebensbedivgungen ringen-
den Ständen mehr und mehr von der Sorge um billigere Lebensmittel
abgelöst werden. Und wehe jeder Regierung, die dieser veränderten Rich»
tung der sozialen Bewegung nicht Rechnung zu Lragen weiß!

Otto Corbach

Schwedische Stimmen

Bücher der Zeit 10

er vor dem Kriege nach Schwedens weltpolitischer Lage gefragt
hätte, dem wäre bei uns kaum eine aufschlußreiche Antwort ge-
worden. Von so etwas wußten wir nichts. Aber wir brauchen
uns darob keine Vorwürfe zu machen — schwedische Schriftsteller be«

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