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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 12 (2. Märzheft 1917)
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Bonus, Arthur: Realpolitik und Kulturpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0292

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Nealpolitik und Kulturpolitik

ealpolitik und Kulturpolitik stehen in einem letzlich unversöhnlichen
Gegensatz zueinander, und das seit je. Sie können gar nicht ver-
^^einigt werden. Sie sollen das nicht einmal. Es wäre kein Glück.
Denn ein reales Staats« oder Volksleben vertritt noch ganz andre weiter-
sehende Möglichkeiten in seinen Gründen als die einer in bestimmter Zeit
bewußt gewordenen Kulturidee. Darum sind die beiden Arten Politik
nur als Spannungskräfte gesund, die sich gegenseitig anregen, erregen,
befruchten sollen.

Wo die Kulturpolitik tzerrscher sein will über die reale Politik eines
Landes, wohl gar der Welt, da entsteht eine schlimmere Realpolitik, als
auch das allergewalttätigste Staatengebilde sie machen kann. Denn inner-
lich gefesselte Menschen gehorchen ganz anders als noch so streng gehaltene
Untertanen eines Gewaltstaates. Das klassische Beispiel ist die ältere Papst-
politik. Oder es entsteht eine waschlappige Unpolitik, wie die der luthe-
rischen Fürsten im nachreformatorischen Deutschland. Die Kulturpolitik
läßt sich von religiösen, ethischen, aufklärerischen, humanitären oder sonst-
wie zivilisatorischen Grundsätzen leiten, die Realpolitik von Kräfteverhält-
nissen, Möglichkeiten oder Notwendigkeiten. Friedrich der Große wollte
Kulturpolitik und trieb sie: sein politisches Genie zwang ihm als Grund-
lage und Ermöglichung dafür eine kluge Realpolitik ab.

ES ist begreiflich, daß ein Kulturpolitiker, der von seiner Sache sehr
überzeugt ist, ihr den Sieg wünscht und für eine Politik agitiert, welche
dazu führen zu können scheint. Weitsichtig ist es nicht. Ein Kulturpolitiker,
der sich der Bedingungen seiner Sache bewußt ist, spricht seine Ziele mit
der stillschweigenden Voraussetzung aus, daß der Realpolitiker sie unter
dem Gesichtspunkt der Möglichkeiten und Gesetze seiner Kunst ins Auge
fasse. Er will gar nicht, daß der Weg, der ihm unter seinem Gesichtswinkel
der richtige scheint, auch auf die Gefahr hin gewählt werde, daß die realen
Verhältnisse auf ihm zum Untergang statt zum Sieg führen. Er
will nur die Anerkennung des Ziels durchsetzen bis dahin, daß
er sicher sein kann, der Staatsmann habe es in seinem Willen aufgenommen.

Sr beurteilt natürlich auch den Weg zum Ziel unter seinem Sehwinkel;

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2. Märzheft (XXX, 12)
 
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