Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1917)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: "Das deutsche Volk und die Politik"
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Form und Wesen im deutschen Musikleben: ein Brief an Paul Belker
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0091

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
und init Nücksicht auf die Zustände uusrer ZeiL, aber auch mit fester Ent«
schlossenheit. Auch die „Obrigkeit^, obwohl sie damit sich selbst allmählich
aufgibt, wird daran mitwirken müssen. Mag man an eine Neform des
Verhältnisses von Staat und Kirche, des Heerwesens, der kommunalen
Selbstverwaltung, der Behandlung der Sozialdemokratre und der Gewerk«
schaften zuerst denken — immer wird die Äberwindung des Obrigkeits-
systems, die Schaffung des deutschen Volksstaates das Ziel sein müssen.
Anders kann weder ein würdiges innerpolitischLs Dasein ermöglicht, noch
unsre weltpolitische Macht gefestigt und gemehrt werden.

Dies sind die Grundlagen des Werkes, das ich trotz seiner Schwer--
flüssigkeit und Anübersichtlichkeit doch geradezu jedem Gebildeten zu
gründlicher Auseinandersetzung empfehlen möchte. Sein Dasein beweist,
daß es in Deutschland an geistigen KräfLen nicht fehlt, welche entschlossen
sind, an der Einlösung der VerpflLchtungen von WH mit vollem Ernst zu
arbeiten. Daß dieses Werk nicht Tagesgespräch wurde, nicht in langen
Reihen von Aufsätzen in den Zeitungen Kapitel für Kapitel erörtert, son«
dern mit je einer Besprechung „erledigt" wurde, ist freilich kein gutes
Zeichen. Aber vielleicht schlägt die große SLunde des Preußschen Buches,
wenn die zurückkommen, die heute draußen, nicht zuletzt für die Mängel
unsrer politischen Organisation, ihr Leben aufs Spiel setzen. Stärker
als zu uns wird es zu ihnen von dem Ausweg aus einer Lage sprechen,
die keiner wieder erleben will, nachdem Volk und Negierung in schwerster
Strrnde ihrer Anhaltbarkeit sich bewußt geworden sind. finsj

Wolfgang Schumann

A

Form und Wesen im deutschen Musikleben

Eiu Brief an Pau! Belker

ls ich, verehrter tzerr, vom Erscheinen Ihres Bnches „Das deutsche
Musikleben^ hörte, kam mir wie wohl den meisten unsrer Berufs-
genossen eine Reihe verschwommener Vorstellungen in den Sinn:
Musikalienmarkt, Konzertagenten, Kritikerelend, Komponistenjammer, Fehl-
organisationen, Publikumschlaf und so fort. Denn das ist ja unser gewohn»
Ler Gedanke, daß auf musikalischem Gebiet so ziemlich alles „schief ge-
wickelt" ist, was überhaupt von Bedeutung scheinen mag, daß also das
Wort „Leben" für diesen Wirrwarr von Tausenden von Sinnlosigkeiten
und einigen wenigen Gegenerscheinungen kaum anwendbar ist. Äber all
dies waren „wir" uns ja auch, mit oder ohne Aussprache, stets einig.
Ieder Musikkritiker nahm Anlaß, an einzelnen Erscheinungen des Musik-
betriebes seinen Scharssinn zu üben — was haben wir nicht allerorten
über die Agenturen, die Programme, die Opernbühnen, die Männer-
gesangvereine, die Vuchliteratur, die Volksmusik und anderes für ein
gerüttelt Maß von Entrüstnng und Neformvorschlägen seit zwanzig Iahren
erlebt! Aber: keiner von uns fand den Mut oder, so traurig es zu sagen
ist: auch nur die Zeit, einmal das Ganze dieses Betriebes nach seinen
Ursachen, seinen Wesensformen, Wesensbedingungen und Wirkungen zu
untersuchen. Vielleicht mußte wirklich erst ein Weltkrieg und damit ein
Stilliegen wesentlicher Betriebsteile kommen, mußte wirklich einer, der
am Betrieb gelitten und ihn genau kennen gelernt hatte, erst einmal von
„draußen" das Ganze überblicken können und so sich besinnen können auf
die Idee des geltenden und vor allem auf die Idee des wünschenswerten

66
 
Annotationen