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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1917)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Die neue Richtung im deutschen Schrifttum, 2
DOI Artikel:
Wegener, Paul: Von den künstlerischen Möglichkeiten des Wandelbildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0028

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sind, um ,,welt"-überwindende Ligenwelt-Werke zu schaffen. Die allzuvielen
Anhänger der Bewegung aber werden sich allzu oft als das erweisen, was
ein bedeutender Künstler, selbst Lxpressionist, mir gegenüber kürzlich be-
zeichnete als „verkappte Impressionisten". Sie werden wohl versuchen,
Eigenwelten zu bilden, aber sie werden als Bestandteile dazu nicht eigne,
phantasiegeborene Weltstücke, sondern flüchtige Eindrücke aus unsrer, aus
der geschichtlichen Welt verwenden, sie werden impressionistisch im Ein-
zelnen, im Wesentlichen, expressionistisch nur in der Idee, in der Kompo-
sition sein. Mehr als neunzig tzundertel aller expressionistischen Bilder
geben davon heute schon einen Begriff; auch etwa einige Däublersche Ge-
dichte scheinen mir diesen Tatbestand aufzuweisen,- auch in Adlers „Zauber-
flöte^ schwimmen mitten im farbenreichen Meer expressionistischer Gestal-
tungen recht erhebliche ungelöste Stücke von impressionistischen Erinne«
rungen herum.

Das aber heißt: sie werden künstlerisch mißgestaltet sein. Denn wo
immer ich die Einstellung des Impressionisten vorfinde, da verlange ich
zu Recht: Lindrucktreue, Naturwahrheit, Blickschärfe, Ausdruckssicherheit.
Und keine phantasieähnliche Kombination schwacher, das heißt: gehalt»
loser, äußerlicher, unwertiger Eindrücke, keine bloße Umfärbung und Um-
formung irgendwelcher bekannter Weltbestandteile wird uns das D^sein
einer kunstgerechten Eigenwelt vortäuschen. Im bloßen Ideenexpressio-
nisten, im Veranstalter eines phantastischen Wirrwarrs, dessen Elemente
wir auf den ersten Blick durchschauen, werden wir jederzeit den unfähigen
Künstler erblicken und verurteilen, selbst wenn wir seine menschliche Not
menschlich verstehen. Er mag dem Seelenverwandten, dem relativ großen,
absolut aber kleinen Kreise der Bewegunggenossen Offenbarungen brin-
gen, der Menschheit hat er nichts zu offenbaren als das unbedeutende
Erlebnis eines, der gescheitert ist, scheitert oder scheitern wird.

^ WolfgangSchumann

Von den Mnstlerischen Möglichkeiten des Wandelbildes

^^ie kaum zu übersehende Wichtigkeit des Films ist gerade dem ge-
^-P^bildeten Publikum immer noch nicht genügend klar geworden, immer
wieder muß man durch Schrift und Tat auf die Verantwortung hin-
weisen, die jeder trägt, der an berufener Stelle diese Dinge lässig be-
urteilt. Fernab den führenden Kräften der andern Künste hat der Film
in den tzänden von Geschäftsleuten, die die ungeheueren kaufmännischen
Möglichkeiten zuerst überschauten, eine Bedeutung bekommen, die noch
vor zehn Iahren niemand geahnt hätte. Mit Milliarden ist das Wan-
delbild in Fabriken, Kontoren, zahllosen Lichtspielhäusern usw. auf dem
Erdball investiert. Ein großer Teil der Menschheit bezieht ästhetische,
ethische, kulturelle Eindrücke aus dem Kino. Kaum je hat eine Kunst
in solcher Breite die Vorstellungswelt gerade der untern Schichten ge-
nährt, wie heute der Film. Dieselben Kreise, die einen verdienstvollen,
unermüdlichen Kampf gegen Schund- und Schmutzliteratur gekämpft haben,
die auf allen möglichen Gebieten versucht haben, das Verständnis für
bessere Formen zu wecken und zu leiten, haben die Bedeutung des Films
unterschätzt oder zu spät begriffen. Da die Bedingungen des Wandel-
.bildes zwischen Literatur, Bild und Theater liegen, war es sehr schwer,
Richtlinien für wirklich künstlerische Produktion zu finden. Die gesamte
 
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