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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1917)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Form und Wesen im deutschen Musikleben: ein Brief an Paul Belker
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Avenarius, Ferdinand: Kunst und Brot
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0097

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lerrsche SeUe unsres Daseins unter die neuen Gesetze eines menschenwürdi-
gen Lebens zu stellen. Dafür gebührt Ihnen dauernder Dank. ^

Wolfgang Schumann

Kunft und Brot

er sparen will, fängt beim Entbehrlichsten an, das Leichtestentbehrliche
H ^ist der Luxus» Luxus ist nach des Durchschnitts-Biedermanns
^^r^Ansicht vor allem einmal die Kunst, also läßt er jetzt die Künstler
hungern. Vielleicht laufen Gedankenpudel durch diese Logik, jedenfalls
aber ist sie die Logik der „kompakten Majorität^. Wenn sie auch nicht
die Macht hat, „die" Künstler hungern zu lassen, so leiden doch sehr viele
von ihnen unter schweren und schwersten Entbehrungen. Es ist durchaus
in der Ordnung, wenn da Behorden, Vereine und Privatleute zu helfen
suchen. Vielleicht aber ist die traurige Gelegenheit angetan, das Zchema
„Kunst und Brot^ einmal nicht nur im tzinblick auf den Krieg zu betrach-
ten. Es ist wichtig. Es ist auch aus Gründen der kapitalistischen Wirt-
schaftsordnung, aber durchaus nicht allein aus solchen Gründen „schwierig
Rnd, um das gleich im Anfang zu sagen: es ist oft auch eine Tragik
darin, die das Wesen des Künstlertums selber mit sich bringt. Beschränken
wir uns aber für heut auf die „Bildner", noch enger: auf die Maler,
Exempelweise, sonst kommen wir ins tzundertste.

Auf die Tragik des Künstlertums führt uns schon die erste BeLrachtung:
wen lassen wir denn als Maler gelten? Alle die Tausende, die sich so
nennen und die in irgendeinem Künstlerverein sind? Alle, die von sich
aus erklären: ich beschäftige mich berufsmäßig mit Malen? Für die
Miiglieder eines einzelnen Künstlervereins mag mitunter eine Eharakte-
ristik angehn, für die Gesamtheit alles dessen, was sich Maler nennt, nicht.
Vom Nichts-als-Geschäftsmann, der bewußt Kitsch oder Modekram ver-
fertigt, weil er „geht", und vom Fälscher geistiger Werte über den Taschen-
spieler mit Effekten und mit bengalischem Licht und Donnerblech bis zum
saustischen Sucher und zum gottgeweihten Priester umfassen irgendwelche
Künstlervereine sie alle. Sie zu sondern wäre so schwer, wie das schwierigste:
echt und falsch zu unterscheiden. Das gemeinsame Merkmal für den All-
gemeinbegriff Maler ist nur das Außerlichste, der technische Betrieb, den
Wert aber bestimmen ja nicht Pinsel, Stift, Feder, sondern der Geist,
der sie führt. Die gemeinsame Arbeitsart an sich kann also die Allge-
meinheit zu besonderen Aufwendungen wohl so wenig verpflichten,
wie das die gemeinsame Arbeit aller könnte, die da mit Federn schreiben,
gleichviel was und wie. Was selbstverständlich nicht hindert, daß sich die
starke Allgemeinheit auch der wirtschaftlich Schwachen unter den Malern
jeht ebensogut anzunehmen hat, wie der wirtschaftlich Schwachen anderswo.

Einst waren bekanntlich die Künstlerberufe im Betriebe ganz handwerks-
gerecht. Man kam in die Lehre, ward Gesell, ward Meister, und eine
durchdachte und streng durchgeführte Gildenorganisation sichtete und band
einerseits, sorgte aber auch für „Nahrung". Kommt uns bei dieser Er-
innerung ein Naserümpfen an, so vergessen wir, daß die tzandwerkstüchtig-
keit damals allgemein in weit höherem Ansehen stand als heutzutage,
wo der tzandwerker ja oft verkauft, was er selber gar nicht mehr machen
kann, wo er in vielem nur noch Vertreiber im Dienste von Fabriken ge-
worden ist. Entwürdigend war der damalige Zustand nicht. Es sind

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