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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 7 (1. Januarheft 1917)
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Corbach, Otto: Auf dem Wege zur Latifundienwirtschaft?
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Jesser, Franz: Nach Kaiser Franz Josephs Tod
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0038

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bleichsüchtig infolge fortgesetzter Anterernährung. Die geringste Erhöhung
des Brotpreises versetzte diese menschlichen Ruinen in Schrecken. Das
war das Lrgebnis einer Entwicklung, die schon im fünfzehnten Iahr«
hundert, zum Teil schon srüher mit den Einhegungen von öffentlichem
Land, das vorher der landwirtschaftlichen Bevölkerung zur Benutzung
als Gemeindeweide, Gemeindewald usw. frei stand, ihren Anfang nahm.
Die lebhaften Klagen englischer Blätter über die Schwierigkeiten des
Mannschaftsersatzes für das englische tzeer werden dadurch verständlich.

So ist England dem Schicksal parasitischer Lebensweise verfallen.
Tiere, die parisitisch leben, haben gewöhnlich verkümmerte, rückgebildete
Eingeweide, Sinne und Äerven, aber um so vollkommener entwickelte
Apparate wie tzaken, Klammern, Saugnäpfe, mit denen sie sich am Wirt
festhalten und ihm Blut, Gewebsaft oder Speisebrei entziehen. So sind
im englischen Wirtschaftsorganismus die inneren Organe in dem Maße
verkümmert, wie England sich daran gewöhnte, von den Säften anderer
Völker zu leben. Dürfen wir dulden, daß Geldkräfte schon
während des Krieges unsern Wirtschaftskörper so um-
gestalten, daß wir England in dem Maße ähnlicher wer-
den, wie wir e. s schwächen? Otto Corbach

Nach Kaiser Franz Zosephs Tod

^«^er tzistoriker und Politiker kann die Persönlichkeit des verstorbenen
^D/Monarchen nicht von der geschichtlichen Entwicklung des Staates
trennen. Dem gemeinen Manne aber verkörperte „unser Kaiser^
die staatliche Zusammengehörigkeit der Länder und Völker. Der moderne
österreichische Reichspatriotismus, der auf der mitteleuropäischen Rot-
wendigkeit der Monarchie aufbaut, verehrte in ihm einen Mitschöpfer
des Verfassungsstaates und des Bündnisses mit Deutschland. Aber auch
für den altösterreichischen dynastischen Patriotismus der breiten Massen
hatte Franz Iosephs Persönlichkeit große politische Bedeutung. Dieser
tzabsburger stand dem Volke menschlich näher als die meisten seiner
Vorgänger. Das Volk empfand tief die Tragik, daß mit dem Lußeren
Glanze des tzerrschers so viel Leid des Gatten, Vaters, Bruders und
Familienoberhauptes verbunden gewesen ist.

Diese herzliche Deilnahme hat sehr oft die politischen Entscheidungen
der Wählerschaft beeinflußt und mancher politischen Partei die schärfsten
Waffen der Agitation entwunden.

Diese starke politische Bedeutung der Persönlichkeit war dem feindlichen
Auslande so wohl bekannt, daß die Meinung allgemeine Verbreitung
finden konnte, der Tod dieses tzerrschers ziehe die Auflösung der
Monarchie nach sich.

Diese Wirkung der Persönlichkeit liegt jedoch keineswegs nur in den
zufälligen Rmständen des hohen Alters, der langen Regierungsdauer und
des Menschenschicksals. Kaiser Franz Ioseph war mehr als nur ein Re-
präsentant des monarchischen Prinzipes, er war nie ein willenloses Werk-
Zeug in der tzand der jeweils herrschenden Parteiführer — er war fast
ein halbes Iahrhundert lang ein konstitutioneller tzerrscher, der gestaltend
in die Entwicklung eingriff.

Darum ist auch sein Wirken viel umstritten und bietet reiche Gelegen-
heit zu Kritik. Diese Kritik wandelt meistens den Ausspruch Friedrich


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