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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 9 (1. Februarheft 1917)
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Hübner, Friedrich Markus: Berichten und Ausdrücken
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Wolzogen, Hans von: ABC für Theateridealisten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0140

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und uneigentlich die Konvention über sich herrschen zu lassen. Der neue
Humanismus erfordert, daß tierische Wirkung und vernunftreines Wissen
wieder eins werde und ein Geschlecht sehr entschieden und selbstverständlich
sich vortragender Deutscher aufblühe. Der Mut, den draußen die Sol«
daten zeigen, muß wieder vortreten als die wesentliche Tugend auch des
Staatsbürgers und des einzelnen schon. Sich selber bekennen, mit jeder
Miene, jedem Urteil, jedem Entschluß und jeder Neigung ganz und gar
seines eigenen und einmaligen Älusdruckes sroh werden, plastisch leben,
die Wirklichkeit um neue seelische Wirklichkeit vertausendfältigen — das
ist die Folgerung, die aus der Erschütterung und der Gnade des Kriegs
dem deutschen Charakter sich auferlegt. Das Volk entschied sich. Statt
Geschichte zu erleiden, ist es dabei, solche zu machen. Nun verlängere der
einzelne die Wellen des großen Aufschwungs bis in seine Brust und trage
Sorge, daß von innen heraus sich ihm Verneinen und Zustimmen, Plan
seines Liebens und seiner Leistung, daß sich ihm die Gewalt der Rede
und des Betens aus eine sinnfLllig rassige, vollblütige Weise neu zuspitze.
Das Denken möge sich wieder sättigen mit einer sofort einfallenden, so-
fort sich auslösenden Lust zum tzandeln, und jedes tzandeln sei belebt
von Denkleidenschaft. Nach der Goetheschen Lrkenntnis, daß „keine Zeit
und keine Macht zerstückelt geprägte Form, die lebend sich entwickelt". ^

F r. M. tzuebner

ABC für Theateridealiste»

^^mmer dieselben Wünsche, dieselben Behauptungen, dieselben Auf-
^ ^ klLrungsversuche! Man sollte meinen, man wäre längst damit bis
^Fzum Tz; und ist doch noch immer vom ABC zu sprechen. Es gibt
eben Dinge, die sich nicht mundtot machen lassen und die von Wieder»
holungen leben. Wieder kommen mir Idealisten aus dem Volke mit dem
Gedanken des deutschen (wie sagt man auf deutsch?) „Zentral-Ideal»
Theaters^ in Bayreuth. Was ich seit einem Menschenalter, seit meiner
alten „Idealisierung des Theaters^, zu erklären versucht habe, sei denn
noch einmal, weil's nottut, wenn's auch nichts nützt, kurz zusammen«
fassend als ABC an die Wandtafel geschrieben! —

Aufgabe. Ein Zentraltheater (es klingt nach Kino!) für alle
ideale deutsche Bühnenkunst, festliche Kunst, soll in Bayreuth sein. Warum?
Weil's dort schon steht. Wirklich? Was steht denn da? Ein tzaus
fürs musikalische Drama Wagners, besonnen und besonders von Wagner
erbaut. tzaus und Kunst bilden einen gemeinsamen harmonischen Stil.
Wie stillos, dahinein etwa Mozart oder Schiller zu versetzen! Mchts
HLtte dann mehr Stil, weder das tzaus noch die Kunst. Nein, Meister«
werke eignen Stils brauchten, streng künstlerisch genommen, ein jedes seine
eigene Bühne. Da hätten wir, wenn's zum Beispiel in Bayreuth sein
sollte, gleich eine ganze Reihe Idealtheater. Es würde aber mehr an
die Wiener Ringstraße erinnern, wo man alle Stile nebeneinander findet.
Und HLtten wir dergleichen, irgendwo — was HLtten wir? Noch lange
keine sichern Stile der Kunst. Noch lange nicht wäre die Aufgabe gelöst,
wie Mozart, wie Schiller theatralisch lebendig werden müssen, um als
Mozart und Schiller zum 20. Iahrhundert zu sprechen. Es könnte wohl
etwas wie eine Schule dafür werden. Wagner selber sagte dies von
seinen Festspielen. Eine Schule. Gut, aber wer soll sie leiten? Wo
 
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