Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1917)
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Artikel:
Unsre Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0338

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
erbt sich nicht nur fort, stets neue
unvernünftige Einzelheiten zeugend,
sondern der alles betrachtende, be«
schreibende, klassifizierende, aber
nicht verstehende „Geist" gibt ihm
geschichtliche „Sanktion" und poeti-
sche „Weihe". Er nimmt auch das
durch „Zufälle" Gewordene als
selbstverständlich hin und als selbst«
verständlich bezeichnet er es den
Nachkommen. Da treiben auch
Sprichwörter und Sentenzen in der
Schule ihr Wesen. Einer kommt
in die wirtschaftliche Notwendigkeit,
in reiferen Iahren irgend etwas
zu lernen, was er in der Iugend
versäumt hat. Wie er sich Mut
fassen will, fällt's ihm ein: „Was
Hänschen nicht lernt, lernt tzans
nimmermehr!" — wie wirkt das
schön auf sein Selbstvertrauen! Das
drillt zur Regelmäßigkeit. Gerade
die „Hänse" erst können in vielem
ans richtige Lernen gehn.

Es gibt nicht wenige gebildete
Menschen, die keinen Nagel richtig
in die Wand schlagen können, und
manche „SLädter" können keinen
Kartoffelstock von einer Rübe unter-
scheiden. And viele sind auch noch
stolz darauf, zu „niederen" Arbeiten,

das heißt zu ein paar geschickten
Handgriffen und Körperbewegungen,
unfähig zu sein. Ia, es ist so: sie
sind stolz darauf, daß sie zu
irgend etwas unfähig sind.

M. Impertro

Ünsre Klinger-Folge

ist noch nicht beendet. In diesem
Heft sollte nach dem Aufsatz über
Klinger als Bildhauer einer über
Klinger als Maler folgen — aber
die Klischees sind verunglückt. Wir
setzen deshalb die Beiträge über
Klinger ein oder zwei Hefte lang
aus.

Goe he über Realpolitik

ie Geschäfte müssen eben ab-
strakt, nicht menschlich mit Nei-
gung oder Abneigung) Leiden-
schaft, Gunst behandelt werden, dann
setzt man mehr und schneller durch:
Lakonisch, imperativ, prägnant! Auch
keine Rekriminationen, keine Vor-
würfe über Vergangenes, nun doch
nicht zu Anderndes! Ieder Tag
bestehe für sich! Wie kann man
lebeN) wenn man nicht jeden Abend
für sich und andern ein Absoluto-
rium erteilt?"

Unsre Bilder und Noten

Blatt vor unserm Hefte vervielfältigt ein Bild des kürzlich ver-
Hstorbenen Gustav Schönleber, das uns besondere Frende ge-
^^macht hat, „Mondnacht am Neckar". Wir haben oft Bilder dieses
Meisters gezeigt. Schönlebers Kunst war eine Malerei der Vornehmheit,
der Schönheit, der tzarmonie, der Ruhe. All ihre Elemente entnahm er
aber der Wirklichkeit, ohne daß er sie jemals schminkte oder färbte.

Als Gabe zum Karfreitag Ernst Kreidolfs „Passiflora". Ein so
seltsames Gebilde, daß nicht jeder lgleich wissen wird, was er damit an-
fangen kann. Dre Leidensblume als Trauernde in der Mitte, der Kreuz«
dorn zu ihrer Rechteri, die Iudasblume zu ihrer Linken, die Blutsröschen
zwischen ihnen tröstend hin und her. Das Ganze voll der Märchen-
phantasie, die wir von Kreidolfs „Blumenmärchen" her aus hundertmal
nachgeahmten und nie erreichten Gebilden kennen. Aber hier aus dem
Gefühlsboden religiöser Kunst. Wir müssen auf Altes, Altes zu-
rückgehen, wenn wir dem Wesen nach ähnliche Gebilde suchen wollen, und

2M
 
Annotationen