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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 12 (2. Märzheft 1917)
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Heiß, Hanns: Stendhal
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Fuchs, Ernst: Immer weiter das römische Recht?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0305

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Tattnensch zu gewaltsamer Lroberung verbraucht, verbraucht Iulien im
Priesterseminar dazu, über seinen Charakter, seine Ungläubigkeit, seinen
Lhrgeiz zu täuschen. Er wächst zur Größe durch tzeucheln, Lügen und
Kriechen. And er wächst so auch noch, als ihm ein Zufall die Welt öffnet.
Die ersten Stufen hat er erklommen, er würde beinahe der Schwiegersohn
des steinreichen und allmLchtigen Marquis de la Mole, wenn ihn nicht
plötzlich seine frühere Geliebte zu Fall brächte. Er schießt auf sie, wird
zum Tod verurteilt und guillotiniert. Was tut es? Mcht vom Lrfolg
oder Mißerfolg hängt Größe ab, und nicht von den Mitteln, die uns auf«
gezwungen werden. Sondern nur von dem Maß der Energie, die Stendhal
um ihrer selbst willen uüd in jeder Auswirkung vergöttert.

^vH^anches trennt Stendhal vom Iahrhundert, sehr viel von der Ro-
^d-mantik, viel von uns. Im Grund ist er ein Zeitloser. Lines seiner
berühmtesten Worte ist: „VerschiedenheiL erzeugt tzaß." Rnd wie sein
Iulien hat er unter dem Mißtrauen und der Feindseligkeit gelitten, mit
der man ihm begegnete, weil er sich unterschied. Aber es geht mit diesem
Wort wie mit anderen Wahrheiten: das Gegenteil ist genau so wahr.
Was für die Mitwelt galt, rüuß nicht für die Aachwelt gelten. Ver»
schiedenheit kann abstoßen, aber auch anziehen, da sie erholt. Stendhal
erholt uns.

Stendhal wird, wenn die Heutige Mode ubgeflaut ist, auch späteren
Zeiten etwas bedeuten. Lr ist eine seltene Persönlichkeit, unendlich ver-
wickelt und widerspruchsvoll, mehr unangenehm als angenehm, Demokrat
und Aristokrat, Kosmopolit und Chauvinist zugleich, herzlos und doch
zärtlich, tapfer und kindisch feig in seiner tzeimlichtuerei und Angst vor
Polizeispitzeln und Iesuiten, großzügig und verschlagen, prahlerisch, ver»
logen. Aber Hinter diesen Gebrechen und Widersprüchen steht ein Schrift-
steller, dem gerade das fehlt, was wir im Äberfluß haben: Pathos, Fen-»
seitstimmung, Mystik, Menschheitsoptimismus, und Äberschätzung der
Menschheit, lyrische Trunkenheit, linausgegorenes jeder Art. And der
das bietet, was nur wenige zu bieten haben: tzelläugigkeit, die nichts
trübt, schärfsten Verstand, beweglichste Aeugierde, Witz und Geist, Kenntnis
der Seele und die Kunst, sie zu belauschen, die Kunst, sparsam, in gedräng-
tester Form mit sicherem Blick für das Entscheidende zu erzählen, und in
seinen besten StuÄden eine unvergleichliche Ungebundenheit und Leichtig«
keit. Honns Heiß

Jmmer wetter das römische Necht?

Man schreibt uns:

ie jetzige römischrechtlich orientierte deutsche Iurisprudenz steht wie

ein Fremdkörper in der Nation. Sie wird nur gehalten durch eine

romantisch-historische Verirrung der größten und schönsten unserer
nationalen Tugenden: des deutschen Idealismus. Nun sollten wir aber
auch hier unsre Sentimentalität verlieren.

Ein Vorkommnis bei der zweiten Lesung unseres Bürgerlichen Gesetz-
buchs möge uns mitten in die Sache hineinführen. Im Reichstag ver-
warf damals, am 2H. Iuni s896, der freikonservative Abgeordnete Freiherr
von Stumm das im Entwurf vorgesehene gesetzliche eheliche Güterrecht —
Verwaltung und Nutznießung des eingebrachten Frauenguts durch den

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