Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI issue:
Heft 8 (2. Januarheft 1917)
DOI article:
Avenarius, Ferdinand: Kunst und Brot
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0098

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
auch kaum die schlechtesten unter den Künstlern von heute, welche die
Wichtigkeit des handwerklichen Könnens beim Maler immer wieder be--
tonen, und kaum die dümmsten, die da meinen, daß der alte Lehrgang
durch Meisterwerkstätten gegenüber dem Mademiebetrieb von heut zum
mindesten auch Vorzüge hatte. Ietzt hören wir Klagen über Klagen wegen
des „Künstlerproletariats". Es sind eben im modernen Kunstbetrieb zwei
ganz verschiedene Dinge zusammengekommen: ein Kunstwerk herstellen,
um Aufträge wunschgemäß zu befriedigen, und ein freies Sprechen
durch Kunst aus einem Ich heraus, das nach praktischem Verwerten
seiner Erzeugnisse zunächst gar nicht fragt, das ein Sinnen- und ein Innen-
leben ausdrücken und mitteilen will. Das erstere hat mit dem edelsten
Handwerk das Beste gemein. Das zweite ist eigentlich eine Mitarbeit am
Ringen um die Welterkenntnis, bei welchem das Entlohnen nach dem
Marktwerte der betreffenden gemalten Mitteilungen nach ganz falschem
Maßstabe entlohnt. Ungefähr so, wie wenn man einen Poeten oder
Philosophen auf den Verkauf von Autogrammen anweisen wollte.

Aber wie bildet sich denn aus seinen verschiedenen Elementen heute
der „Stand"? Der Maler von ehedem kam zum Meister, um brav in
Zucht aufwärts zu lernen. tzeute besorgen die Fabrikanten Technisches,
wie die Farbenbereitung und das Leinwand-Grundieren. Zum Lernen
des tzandwerklichen fehlt oft überhaupt der Zwang. Die Luft der Lehr-
stätte von ehedem hat mit der Luft auf der Akademie von heute auch sehr
wenig gemein, die Luft der Akademie müssen wir schon gebildet Atmo-
sphäre nennen, denn eine Kunstakademie ist ja eine den Universitäten
rangähnliche tzochschule. Wer einige Kenntnisse und einiges Talent nach-
weist, verlebt hier zunächst eine sehr angenehme freie Zeit. Schon das
lockt die unzählbar vielen an, die einige Kenntnisse und einiges Talent
nachweisen können. Nun haben sie noch das Kraftgefühl, die Lebens-
unkenntnis und den Idealismus der Iugend. Wie viele könnten denn
auch wissen, ob ihre Vegabung solcher Art, daß sie für später eine Lebens-
möglichkeit sichert und auch für Weib und Kind? Rnd wie viele könnten
wissen, ob ihr Ich reich genug ist, um auf die Dauer aus Eigenem zu
speisen? Ob man nicht später aus sich herauf pumpen muß oder gar
„pumpen" im gemeinsten Sinne: leihen vom innern Reichtum anderer?
Damit aber begänne auch das Fälschen des Ichs. Noch meinen alle,
das „Talent", das tät's, während das „Talent" doch bloß Begabung zum
Reden ist, nicht Bürgschaft, daß die Rede gehaltvoll sei. Also man
nimmt sich wichtig. Die Akademie selbst, scheint's, berechtigt einen dazu.
Für jeden ihrer „Bürger" liegt der Gedanke nah: man würde mich doch
nicht aus Staatskosten ausbilden, wenn man nicht Malers-Leute für was
tzochwichtiges im Staat hielte. Preise, Stipendien unterstützen den Glau-
ben. Endlich aber heißt es: „Leben Sie wohl und helfen Sie sich nun
selberl^

Damit schließen sich die gastlichen Pforten, und der Maler steht auf
der Straße. In Brotsachen aber hat er's jetzt vielfach schwieriger, als sein
handwerker-Ahn von ehedem. Der hatte, zum Beispiel, als wirtschaft-
lichen Konkurrenten fast immer nur seinen Volksgenossen, mit dem Künst-
ler von heut aber greifen auch fremde Künstler nach seinem Brotkorb.
Mehr noch: mit ihm konkurrieren auch die Toten. Er selber wird ja
auch, wenn er das Zeug dazu hat, dereinst seinen Enkeln Brot weg-
nehrnen, der Kunsthandel wird das in seinem Namen tun, denn das
 
Annotationen