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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1917)
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Avenarius, Ferdinand: Umlernen bei der Wirtschaft mit Geist!
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0021

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erkennung geistiger Güter als vollberechtigter auch im
Wirtschaftsleben der Nation erreichen.

. G

gr>as aber werden wir nicht, so lange unsre Gebildeten diese Fragen als
^Fachfragen oder gar als halb und halb „unvornehme" Fragen be«
trachten, die sie nichts angehn, oder die ihnen peinlich sind, statt sich mit
allem Ernst ihrer anzunehmen.

„Als Fachfragen?^ Ich sprach schon davon, daß die Regierungen
stets die materiell Interessierten als die eigentlichen Sachverständigen
bei solchen Aufgaben befragen, und das finden auch unsre Gebildeten
ganz in der Ordnung. Näheres darüber in meinen älteren Aufsätzen.

„Als »unvornehme« Fragen?^ Wer in diese Dinge hineingreift, um
zu zeigen, wie's gemacht wird, und mit dem Reinigen anzufangen, der
darf sicher sein, daß ihn die tzerren vom Kapital beschimpfen und ver--
dächtigen. Aber nicht nur dieses: er darf auch sicher sein, daß bei weitem
die meisten von denen, die ihm helfen sollten, derartige Streite „unvor»
nehm" finden. „Wer Schmutz angreift, besudelt sich." Also wollen wir
den Schmutz lieber liegen lassen, als daß wir ordentlich zufaßten, um
unser tzaus, um unsern Tempel aufzuräumen?

G

^vuf die Organisation dieses Schutzes und diefer Pflege auch nur
^mit dem Skizzieren von Umrissen heute einzugehen, wäre nicht nur des
Raumes wegen unmöglich, es wäre für Vieles auch vorgreiflich und
vielleicht verwirrend. Zu den einzelnen Fächern, bei denen ich mich zum
Reden befugt glaubte, habe ich's getan. Alle Gebiete, bei denen außer
der Volkswirtschaft mit Stoffgut eine Volkswirtschaft mit Geistgut in
Frage kommt, sollten soziologisch und sonstwie vorurteils- und voraus«
setzungslos auf die Fragen der geistigen Produktion und Konsumtion
durchgearbeitet werden. Aber wie sehr sich Wissenschaft und Praxis
anregen und befruchten könnten, warten dürfte die Praxis auf feinsäuber-
liche Wissenschaftsergebnisse nicht. Dazu „brennen" die Fragen zu sehr.
Denn die Mißwirtschaft mit geistigen Werten liegt an großen Stellen
klar am Tag und wir brauchen tzilfe.

An zweierlei, das die Organisation betrifft, möcht' ich unter tzinweis
auf einen älteren Aufsatz (Kw. XXVI, (8) erinnern.

Erstens: „Iede wichtige Arbeit zur tzebung der Kultur sollte außerhalb
der geschäftlichen Bedingungen gestellt werden, wenn sie innerhalb ihrer
nicht möglich ist." Das einfache Beispiel für diese Gruppe ist die Literatur-
beratung. Bis vor kurzem gab es keine literarischen Iahresberichte, keine
„Weihnachtskataloge", die sich nicht geschäftlich bezahlt machen mußten. Die
Sache will, daß die (Lmpfehlung und Verbreitung von Geistesgut von der
Verquickung mit Geschäftsinteressen gelöst werde. Die Literaturberatung
gibt aber für das Gegenteil nur eins vieler Beispiele. Man stelle sich
vor, daß unsre Lehrer von den Schülern, unsre Richter von oen An-
klägern und Angeklagten, unsre Offiziere von den Soldaten je nach dem
Gefallen der Schüler an den Lehrern, der Prozeßbeteiligten an den Rich-
tern, der Soldaten an den Offizieren bezahlt würden. Der Gedanke scheint

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