Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI Heft:
Heft 10 (2. Februarheft 1917)
DOI Artikel:
Witte, Johannes: Weltkrieg und Europa im Urteil der Ostasiaten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0202

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zierkorpH, viele Gelehrten und die um die deutsche Mission gescharten
Iapaner, sie alle hatten es sogleich auch öffentlich gesagt: Iapan habe auf
eine falsche Karte gesetzt. Ietzt aber erkannten zu ihrem großen Er«
staunen auch andere weite Kreise, wie sehr sie Deutschland unterschatzt
hatten. Auch die japanischen Studentew, die von Deutschland nach Ame«
rika gegangen waren, klagten, daß sie in Amerika wenig lernen könnten,
es sei dort nichts so gründlich wie bei uns. And aus China kamen nicht
nur die Studenten, die anfangs weggegangen waren, nach Deutschland
zurück, sondern noch andere kamen hinzu.

In den führenden Kreisen Chinas sind ja seit Puan Schi Kais Tode
neue Männer ans Ruder gekommen, die vielleicht nicht in dem Maße
zu Deutschland Vertrauen haben wie Puan Schi Kais Regierung. Aber
man weiß doch, daß Deutschland sicherlich von allen Westmachten am
wenigsten selbstsüchtig an China handelt, und unser Crfolg im Kriege
läßt China hoffen, daß wir es in seinem Aufwärtsringen schützen können.
In der Regierung Iapans, das nach jeder Richtung aus dem Kriege
Nutzen zieht, ist unter der Führung des Grafen Terautschi die Militär-
partei ans Ruder gekommen, die sicherlich, soweit es im Interesse Iapans
liegt, versuchen wird, mit einem siegreich bleibenden Deutschland einen
Ausgleich zu schaffen und eine Annäherung an uns zu erzielen. Gegen
Lngland hat man sich durch das neue Bündnis mit Rußland den Rücken
gedeckt. Von Ieit zu Zeit müssen bedeutende, der Regierung nahe-
stehende Männer Artikel schreiben, in denen gezeigt wird, daß das eng«
lisch-japanische Bündnis für Iapan keinen Wert mehr habe, und auch
Amerika bekommt manches deutliche Wort zu hören.

Die englische Presse und die Regierung sehen sehr wohl, daß sich
in Ostasien ein Ämschwung zu vollziehen beginnt. Der Versuch vom
Herbst China zur Kriegserklärung gegen Deutschland zu bewegen,
ist am Widerspruche Iapans gescheitert. Grey hat damals im Parlament
zugestanden, daß die deutsche Arbeit in China ungestört weitergehe, und
daß „leider die deutschen Missionare weiter ungestört in China die
deutschen Lügen verbreiten können". Iapan hält man vor, was alles
es England verdanke, auch warnt man es vor größeren Rüstungen, da
es sonst „den Frieden der Welt gefährde". Iapan jedoch geht, nachdem
es durch die Kriegslieferungen seine Geldlage gesund gestalten konnte,
seinen Weg und rüstet weiter. Gegen wen, das ist ein offenes Geheimnis.

Natürlich darf niemand nun etwa erwarten, daß jene Völker sich uns
blindlings verschreiben. Sie fuchen mit Klugheit ihren Vorteil. Aber
das darf man ohne Abertreibung sagen, daß dank der Taten unse«
rer Truppen sich die Lage in Ostasien äußerlich im Kriege wesent-
lich zu unsern Gunsten verschoben hat.

Wie aber wird der Krieg als Erlebnis von den Ostasiaten
empfunden und gewertet? Das ist die zweite, tiefere Frage. Daß wieder
einmal Krieg ist, hat dort draußen längst nicht die Bestürzung hervor-
gerufen wie bei uns. Die Chinesen haben dauernd die drohenden Kriegs-
schiffe der Westmächte in ihren Häfen. Und ihre furchtbaren Wirkungen
stnd seit der Boxerzeit noch nicht vergessen. Iapan aber hat selbst Krieg
genug gehabt in den letzten Iahrzehnten. Auch daß es ein Krieg der
christlichen Völker untereinander ist, hat im allgemeinen nur einen ge«
ringen Rückschlag in religiöser tzinsicht ausgeübt. Man kennt ja dort
die Geschichte der christlichen Völker auch als Kriegsgeschicht^, man hat

l69
 
Annotationen