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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 11 (1. Märzheft 1917)
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Waescher, Johanna; Stapel, Wilhelm: Die deutsche Frauenbewegung und die Erwerbsarbeit der Frau: zwei Meinungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0251

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zuteil wurde, haben sie bewiesen, daß sie Großes und Gutes zu leisten
imstande sind. Allgemeine Pflichtfortbildungsschulen, Berufsschulen, weib»
liches Dienstjahr, das sind grundlegende Forderungen, um das weibliche
Geschlecht fähig zu machen für die Doppelaufgabe des Berufs und der Lhe.
Außerdem müssen die Vorbedingungen dafür geschaffen werden, daß die
Frau nicht für tzungerlöhne zu arbeiten braucht, wie es der Fall ist, wenn
sie als tzausfrau nicht die genügenden Barmittel hat, um den tzaushalt
zu führen.

Auf Grund dieser Voraussetzungen dürfen wir alles weitere getrost dem
gesunden Sinn der deutschen Frauen überlassen. Die Mehrzahl wird
gern auf Erwerbsarbeit verzichten, wenn fie in die Lage versetzt wird, ihre
ganze Kraft dem tzause widmen zu können und nicht äußere oder innere
Notwendigkeit sie zur außerhäuslichen Arbeit zwingt. Daneben muß be-
sonders auch Witwen, die dies Glück nicht erreichen können, Erleichte--
rung verschafft werden, um ihre vom tzaushalt nicht ganz in Anspruch
genommene Kraft zum Besten ihrer Familie auch außerhäuslich verwerten
zu können. Auch dafür söllten unsre Gesetze die Möglichkeit schaffen, daß
sie den verheirateten Beamtinnen und Lehrerinnen, wenn sie Witwen wur--
den, die weitere BerufstLtigkeit nicht versagen und daß durch Einrichtung
von tzalbtagsstellen die notwendige Nücksicht genommen wird, die wir
unseren Frauen ihren mütterlichen Aufgaben gegenüber schuldig sind.
So sehen wir, daß eine Reihe von Aufgaben vor uns liegen und daß die
Frage „Mehr Frauen in die künftige Industrie?" nicht mehr mit einem
Lntweder--Oder zu beantworten ist. Familienleben und Volkswirtschaft
werden eine höhere Blüte erreichen, wenn wir alles dazu tun, um die
Frauenkraft fähiger für Beides zu machen. Dazu mögen uns ein baldiger
Friede und die im Krieg gemachten Erfahrungen verhelfen!

Iohanna Waescher

g^avon, daß erst die Frauenbewegung unsre Frauen in die außerhäus--
^ liche Erwerbstätigkeit hineingetrieb en habe, kann gewiß keine Rede
sein. Lin andres ist es, ob sie frühzeitsg genug die Gefahren dieser
Entwicklung in ihrer ganzen Tiefe erkannt und bekämpft hat. Wenn nicht,
so ist das kein Vorwurf für sie, ging sie doch wie jede Bewegung von
bestimmten einzelnen Nöten aus, ehe sie sich zu dem entwickelte, was sie
heute ist. Wiederum ein anderes ist es, ob die Mittel, mit denen man
die Gefahren bekämpfen will, die mit der „Doppellast^ von Ehe und Be--
ruf verbunden sind, so wirken werden, wie man vermeint. Das scheint
uns noch nicht ausgemacht. tzier in Kürze ein paar tzinweise dazu.

Was die gesetzliche Festlegung eines bestimmten Wirtschaftsgel--
des für die Frau betrifft, so glauben wir, daß man da dem Gesetzes--
paragraphen eine Kraft zutraut, die er erstens nicht hat und zweitens nicht
haben darf. Man stelle sich vor, es stände im Gesetz: soundso viel tzun--
dertteile vom Linkommen hat der Mann seiner Frau zur Wirtschaftsfüh--
rung zu übergeben. Die Wirtschaftsbedürfnisse der Familien sind nicht
nur nach Stand und Beruf, sondern auch nach den individuellen Anlagen
und Ansprüchen so verschieden, daß tatsächlich die eine Familie mehr,
die andre weniger verbrauchen wird als das gesetzlich vorgeschriebene
Normalwirtschaftsgeld. Und in allen ordentlichen Familien wird man
sich demgemäß nicht um das Vorgeschriebene kümmern, sondern Mann
und Frau werden des Staates Vorschriften übergehen und „ihre eigenen
 
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