Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1917)
DOI Artikel:
Hoffmann, Paul Theodor: Goethe und der Tod: auch Passionsgedanken
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0298

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
war. Herder kam zu der Ansicht, daß die Seele auf der Wanderung von
tieferen zu immer höheren Sphären begriffen sei, daß sie aus der Nacht
zum Licht, aus der Unvollkommenheit zur Vollendung strebe. Goethe, sein
Schüler, folgt hier den Bahnen des Meisters, wenn er Frau von Stein
zuruft:

Sag, was will das Schicksal uns bereiten?

Sag, wie band es uns so rein genau?

Ach, du warst in abgelebten Zeiten

Meine Schwester oder meine Frau.

Freilich, dieser Glaube ist nicht grob — spiritistisch zu verstehen. Er
klärt und adelt sich an dem, was große Denker dem Dichter zum Lrbgut
schenkten. So an Leibniz' Monadenlehre. Goethes heilige tzoffnung legt
sich auf die Entwicklung der tzauptmonas des Menschen, auf die höchste
und letzte Krafteinheit in ihm, welcher der ganze übrige Lebenskomplex
untergeordnet ist. Mag diese Krafteinheit einmal mit dem Tode alle
sonstigen körperlichen und physischen Kräfte, die ihrer Macht unterstanden,
verlassen müssen, wenn sie nur selbst im veredelnden Werdenskampfe. sich
emporläutert zu höheren Kreisen! Denn sie, die Monas, die Kraftein-
heit, die Seele ist dasjenige, durch das am meisten in uns Gottes Atem
geht. Und deshalb verspüren wir die Nähe der göttlichen Welt mehr in
reinen höheren denn in niederen Seelen. Es mag uns sein, wenn sich
Menschen mit reinster Seele uns nahen, als schauten wir da einen Leib,
eine Gestalt, deren geistige Krafteinheit nur noch ausnahmsweise in unsre
Erdensphäre Hineingekommen ist. Es mag dann sein, als habe diese
Krafteinheit zu ihrem Kreisungspol schon eine höhere Welt und reiche nur
an ihrer Peripherie in das Erdendasein hinein. Eine solche Gestalt hat
uns Goethe in der Makarie der Wanderjahre geschaffen, von der er sagt:
„Wie sie (Makarie) heranwuchs, überall hilfreich, unaufhaltsam in großen
und kleinen Diensten, wandelte sie wie ein Engel Gottes auf Erden, indem
ihr geistiges Ganze sich zwar um die Weltsonne, aber nach dem Aberwelt«
lichen hin in stetig zunehmenden Kreisen bewegte. Wir hoffen, daß eine
solche Entelechie sich nicht ganz aus unserm Sonnensystem entfernen, son-
dern, wenn sie an die Grenzen desselben gelangt ist, sich wieder zurück-
sehnen werde, um zugunsten unsrer A.renkel in das irdische Leben und
Wohltun wieder einzutreten." Eine solche Entelechie! Dieser Begrifß
einer der Lieblingsausdrücke des alternden Goethes, von Aristoteles her--
stammend, verbindet mit dem Begriff der Krafteinheit den der inneren
Zwecktätigkeit. Die Seele ist zum aktiven Sichselbstvollenden bestimmt und
als solche, als Entelechie wird sie durch die Tätigkeit, durch das strebende
Schaffen aufwärts geführt. tzier vollendet sich Goethes Unsterblichkeits-
glaube in wundervoller, ein aktives Leben bejahender Zuversicht: „Wirken
wir fort, bis wir, vor-- oder nacheinander vom Weltgeist berufen, in den
Ather zurückkehren! Möge dann der Lebendige uns neue Tätigkeit nicht
versagen! Fügt er sodann Erinnerung und Nachgefühl des Rechten und
Guten, was wir hier schon geleistet, väterlich hinzu, so werden wir gewiß
um desto rascher in die Kämme des Weltgetriebes eingreifen. Die entele»
chische Monade muß sich nun in rastloser Tätigkeit erhalten. Wird ihr
diese zur andern Natur, so kann es ihr in Ewigkeit nicht an Beschäftö-
gung fehlen." (An Zelter V- 3. (827.) In der Tätigkeit besteht das von
der Todesnot erlösende und die Ewigkeit für uns mit Lust erfüllende

25!
 
Annotationen