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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0116

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in gewissem Sinne unerreichbar dastehen. Durch alle ihre Werke weht ein
Geist erhabener Einfachheit und überirdischer Größe. Man fühlt sich bei
ihrer Betrachtung, so verschieden sie sonst in der Art der Auffassung und an
künstlerischem Werth sein mögen, entrückt dem irdischen Treiben; die Inter-
essen des gegenwärtigen Lebens und des wechselnden menschlichen Daseins
zerrinnen in wesenlosen Nebel, wenn sich der Blick auf jene unvergänglichen
Offenbarungen des Unvergänglichen richtet.

Und diesen in einer erhabenen Sphäre idealistischer Unnahbarkeit weilen-
den Meistern gegenüber tritt nun Plötzlich ein Künstler ans, dessen frucht-
bare Prodnctionskraft sich bisher im schärfsten Wortsinne innerhalb der
niederen Sphäre des realsten, durchaus modernen, ja gerade herausgesagt:
genrehaftesten Lebens bewegt hat: Gustav Dore. Manche mögen ihren
Ohren nicht getraut haben, als sie hörten, Dore habe die Bibel illustrirt;
Andere mögen ironisch lächelnd darüber die Achseln gezuckt haben. Jndeß,
man erinnerte sich an seine Illustrationen zum „Dante" und fand die Sache
wenigstens nicht unglaublich. — Dennoch konnte man sich keine rechte Vorstellung
davon machen, wie der ebenso fruchtbare wie geistreiche und originelle Illustra-
tor der „Reise-Erinnerungen aus Spanien" und zahlreicher, das volksthümliche
Leben der modernen Zeit darstellender Schilderungen, gewissermaaßen der
französische Adolph Mentzel, die Verbildlichung der gänzlich außerhalb dieser
Sphäre und zum großen Theil im Gegensatz dazu stehenden ernsten und
strengen Gegenstände der biblischen Tradition aufgefaßt habe.

Auch wir gestehen gern, daß wir unsre großen Bedenken über den Aus-
fall dieses Wagstllckes gehabt haben. Nun, die Dore scheu Kompositionen
liegen uns jetzt vor, und wir gestehen ebenso unumwunden, daß unsere Be-
denken verschwunden sind. Dore ist offenbar eine außerordentlich elastische,
aber dennoch echt künstlerische Natur. Vielleicht gerade, weil es ihm an der
ureignen ideellen Gestaltungskraft mangelt, ist er vorzugsweise befähigt, sich
in die Eigeuthümlichkeit fremder Gestaltung mit einer Objektivität der
Hingabe und einer Feinheit des Verständnisses zu versenken, die den ursprüng-
licheren, nur um den Mittelpunkt ihres eignen innersten Wesens sich bewegen-
den Geistern abgeht. Neben dieser objektiven Schärfe der Charakteristik besitzt
Dore aber noch ein anderes Element künstlerischer Gestaltungskraft, nämlich
einen außerordentlichen Reichthum an phantastischer Erfindung: hierin beruht
seine eigentliche Originalität.

Was nun seine „Bibelillustrationen" betrifft, so fällt es sogleich auf, daß
sie in der That einen aus jenen beiden Elementen, Schärfe der volkslhllm-
lichen Charakteristik und Reichthum phantastischer Erfindung, gewissermaaßen
gemischten Charakter tragen. So schroff der Widerspruch zu sein scheint, in
welchem diese beiden Elemente an sich zu einander stehen, so finden sie hier
in der Weise seines Komponireus einen Ausgleich durch die merkwürdige
Leichtigkeit, mit der er sich an die allgemeinen Formen der Tradition anzu-
schmiegen verstanden hat, d. h. nicht an die Formen der biblischen Tra-
dition an sich, sondern an die der künstlerischen Tradition, in welcher der
biblische Inhalt durch die großen Meister zu einer gewissen typischen Norm
sich allmälig herausgebildet hat. Dore weiß sehr wohl, daß ein moderner
Künstler von dieser Norm ohne Gefahr der Verflachung nicht abgehen darf,
und so hat er — neben den anderweitigen Wirkungsmomenten — dieser
Norm in weiser Abwägung der innerlichen Unterschiede wohl Rechnung ge-
tragen. Allein nicht minder trägt er dem entgegengesetzten Moment, der
realistischen Erscheinung, Rechnung, und zwar überall da, wo die Abweichung
von der typischen Norm für die religiöse Anschauung nichts Verletzendes hat.

Gerade hiedurch aber gewinnen seine Bibelillustrationen, gegenüber z. B.
den Schnorr'schen „Kompositionen zur Bibel", ein besonderes Interesse.
Denn jenes Moment, worin zugleich die Kraft seiner originalen Behand-
lungsweise liegt, nämlich die realistische Unmittelbarkeit, um nicht zu
sagen G eur eh afti gleit der Erscheinung, ist es, wodurch seine Figuren mit
einer gewissen Entschiedenheit lebendiger Wirklichkeit sich au die Anschauung wen-
den, ohne jedoch — als Illustrationen — einen Mißklang mit dem Inhalt Dessen,
w a s sie illusiriren, hervorzurnfen. Dieser Doppelcharakter seiner Kompositio-
nen , welcher in der Verbindung und gleichsam Versöhnung zweier so ganz
entgegengesetzter Elemente, wie typischer Strenge und realistischer Wahrheit
der Erscheinung, beruht, verleiht denselben eine ganz eigenthümliche Kraft der
Ueberzeugung, indem das eine Element gewissermaaßen den Beweis für die
Wahrheit des andern zu leisten bestimmt scheint. Um ein Beispiel für diese
Wirkung anzuführen, obschon sie sich fast in jedem Blatte wiederholt: man
betrachte z. B. die Scene „Christus und die Samariterin", so erkennt man
in der Auffassung des „Christus" sofort eine Anlehnung an die künstlerische
Tradition, in der Figur des Weibes dagegen eben jene Freiheit und Sicher-
heit genremäßiger Lebendigkeit, welche die künstlerische Schönheit als solche
über die Tradition zu stellen keinen Anstand nimmt, wo es sich eben um
eine durch die Tradition freigegebene, d. h. untergeordnete Figur handelt.
Daß daher für ein künstlerisches Auge in diesem Bilde die „Samariterin"
eigentlich die Hauptrolle spielt, folgt aus dem Angedeuteten von selbst.

Als die andere Seite der Dorescheu Originalität bczeichneten wir das
Phantastische. Wahrhaft großartig in dieser Beziehung sind seine Kompo-
sitionen zu „Es werde Licht", „Die Erschaffung der Eva" und „Die Ver-
treibung aus dem Paradiese", welche vielfach durch ihre energische Schönheit
an die Dantekompositionen erinnern. Von der letzteren Komposition geben
wir als Probe seiner allgemeinen Behandlungsweise eine Abbildung. Auch
hier wird man die Vereinigung traditioneller und realistischer Elemente nicht
verkennen, jener: in der wahrhaft erhabenen Erscheinung des Engels, dieser:
in der ganz realistischen Auffassung des vertriebenen ersten Menschenpaars
selbst. Hierin beruht überhaupt der hervorstechendste und ausgeprägteste Cha-
rakterzug seiner Illustrationen. Wir begnügen uns — auf speciclleres Ein-
gehen in die einzelnen Blätter verzichtend — mit dieser allgemeinen Cha-
rakteristik, und werden bei Erscheinen der weiteren Lieferungen Gelegenheit
nehmen, einzelne, besonders interessante Blätter näher zu beleuchten.

Was die Ausstattung des Prachtwerks betrifft, so ist sie eine außer-
ordentlich glänzende. Neben den 230 großen, selbstständigen Illustrations-
Blättern, womit dasselbe geschmückt ist, enthält jede Seite noch eine höchst
originell komponirte Zierleiste, welche die beiden Spalten derselben mit reichem
und beziehungsvollem Arabeskenschmuck trennt. Hierin zeigt Dore's Erfin-
dungskraft einen wahrhaft staunenswerthen Reichthum und zugleich eine Gedie-
genheit und Reinheit des Geschmacks, die ihn zum ersten Illustrator der Gegen-
wart stempeln. Wenn wir noch hinzufügen, daß die Holzschnitte mit außer-
ordentlicher Sorgfalt und wahrhaft künstlerischer Vollendung ausgeführt sind,
so glauben wir nichts weiter zur Empfehlung dieses schönen mid großartigen
Werkes hinzufügen zu müssen. Aeußerlich bemerken wir nur, daß die „Jllu-
strirte Prachtbibel" in 60 Lieferungen erscheinen wird, wovon jede etwa
5 großen Foliobogen Text und 4 große Bilder enthält und 12 Sgr. kostet.
Das ganze Werk soll bis Weihnachten 1869 vollendet sein; ein Versprechen,
das die Verlagshandlnng um so eher zu halten im Stande sein dürfte, als
die Illustrationen selbst ja bekanntlich sämmtlich vollendet vorliegen. M. Sr.

huustverei» kür Böhmen

in Prag.

Die Eröffnung der diesjährigen
Kunst - Ausstellung

findet am löten April statt und
dauert dieselbe bis zum löten Juni.
Der Einsenduugstermin ist auf den
öten April festgesetzt worden. [446]

-TS-

f

Im Verlage von Ebner & Seubert in Stuttgart erschien soeben:

Die

auf etruskischen Aschenkisten,

beschrieben und nach den poetischen Quellen untersucht

Dr. Friedrich Schlie.

Mit einem Vorworte von H. Brunn.

Gr. 8. brosch. 28 Ngr. (oder fl. 1. 36.).

Diese für Archäologen, Philologen und Kunstforsch :r höchst
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in nächster Zeit erscheinenden grossen „Archäologischen Atlas“ von
Prof. D. Brunn. [440]

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sich gefälligst an Herrn Ernst Sues,
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Kommisions-Verlag der Nicolai'schen Verlags-Buchhandlung (A. Effert L L. Lindtuer) in Berlin. — Druck von H. Theiuhardt in Berlin.
 
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