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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0176

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sie doch bei Weitem nicht die heitere und zugleich geheimnißvolle
Tiefe dichterischer Schönheit in der Farbenwirkung, worin der den Be-
schauer so sympathisch anmuthende Reiz der Hildebrandt'schen Aquarellen
liegt. Denn das Höchste in der Kunst, nach Seite der Technik hin, wird
immer dies bleiben, daß man dem Machwerk gar nicht mehr ansieht,
wie es entstanden ist. Dies ist der Grund, warum das wahre
Meisterwerk dem Laien so „einfach" erscheint, als ob eö gar nicht
anders sein könne, während der Künstler in Verzweiflung davor stehet,
da er jenes geheimnißvolle „Wie", das wahre Ei des Kolumbus,
nicht entdecken kann. Wenn Hildebrandt nie in seinem Leben den
Pinsel in Oclfarbe getaucht, so würden seine Aquarellen allein ihm
einen unvergänglichen Namen in der Kunstgeschichte sichern. — Unter
den etwa 40 Blättern, die von ihm auf der Ausstellung sich befinden,
und deren Motive den verschiedensten Zonen entnommen sind, ist nicht
eins, worin sich nicht jene zugleich keusche und sympathische Auffassung
der Natur offenbarte, die seine Aquarellen in noch höherem Grade
als seine Oelgemälde charakterisirt. Diese Sammlung Hildebrandt-
scher Aquarellen zu betrachten, ist daher ein ebenso reiner wie nach-
haltiger Genuß. — Wenn wir unter allen übrigen diejenigen nennen
sollen, welche am meisten Verwandtschaft mit ihm verrathen, so dürfen
wir nicht unter den deutschen Blättern suchen, sondern unter den
englischen; und unter diesen ist es namentlich das große und präch-
tige Blatt von Richardson „Aus der Gegend von Balmoral"
sowie die „Winterlandschaft" von Branwhite, deren außerordent-
lich kräftige Wirkung indeß schon durch das sichtbare Sich-Geltend-
Machen des genialen Machwerks einigermaaßen beeinträchtigt wird-

Einen cigenthümlichen Gegensatz zu Hildebrandt bildet A. Dreß-
ler, welcher, außer durch eine Anzahl geschickt gemachter Ansichten
aus dem baierischen Hochlanve, besonders durch eine große „Jdeal-
landschaft" mit antik-klassischem Vorwurf vertreten ist. Jener duftige
Schmelz, welcher bei Drcßler meist an Stelle der durchsichtigen Klar-
heit des Hildebrandt'schen Pinsels tritt, verbindet sich in diesem
großen und mit außerordentlichem Fleiß durchgeführten Blatt mit
einem Reichthum des landschaftlichen Motivs, welcher der Einfachheit
der lyrischen Wirkung vielleicht etwas Abbruch thut. Nichtsdesto-
weniger offenbart sich darin ein feines Gefühl für den poetischen
Geist der klassischen Stylisirung und eine Sicherheit in der Beherr-
schung der technischen Mittel, welche dem Künstler unter den deut-
schen Aquarellisten einen bemerkenswerthen Rang sichern.

Paul Mcyerheim's Aquarellen sind zum großen Theil
Studien, und zwar der mannigfaltigsten Art. Erheben Sie daher
aus diesem Grunde eigentlich keinen Anspruch auf streng bildmäßige
Wirkung, so kann man um so unbedingtere Anerkennung dem sich
in ihnen aussprechcnden großen Talent einer feinen und charakte-
ristischen Auffassung der Natur, sowie dem bedeutenden technischen
Geschick in der Behandlung zollen. Was die Farbenwirkung im
Allgemeinen betrifft, so fehlt ihr zwar die Wärme und Zartheit der
Farbe Hildebrandt's, dagegen besitzt sie ebenfalls eine große Klarheit,
zugleich aber jene etwas kühle Klangfülle in der lokalen Tönung,
welche die Franzosen, z. B. Jsabey, und auch einige französische
Deutsche, wie Hogu ct, kennzeichnet. Von dem letztgenannten Künstler
sind ebenfalls mehrere Blätter vorhanden, die jedoch unserem Gefühl
nach etwas zu virtuos für Aquarellistik erscheinen. Allerdings sind
cs auch meist Studien, leicht und zwar nicht blos mit scheinbarer
Leichtigkeit und einer dieser Leichtigkeit entsprechenden Sicherheit hin-
gcworfen. Waö ihnen aber fehlt, ist, wenn wir unsere Ansicht ganz
unverhohlen sagen sollen, die gemüthvolle Tiefe und Innigkeit der
Empfindung, womit der Künstler — im Unterschiede vom Virtuosen
— die Natur betrachtet. — Diese Innigkeit besitzt Bennewitz,
dagegen fehlt ihm, wie das so oft geschieht, jene Leichtigkeit und Un-

befangenheit des Ausdrucks, so daß seine Empfindung nicht in ein-
facher und ungekünstelter Weise zur Erscheinung kommt. Das
Streben nach lyrischer Stimmung offenbart sich daher bei ihm mehr
in ter Wahl als in der Behandlung der Motive — dasselbe findet
auch bei seinen Oelgemäldcn statt —, weshalb er nicht selten in eine
gewisse Kleinlichkeit der Behandlung geräth, welche die intendirte
poetische Wirkung zum Theil wieder aufhcbt. Seine Farbe indeß
ist, obwohl ebenfalls ziemlich kühl, ja zuweilen frostig, doch harmo-
nisch und klar. — Die beiden sehr anziehenden Aquarellen von
Scherres zeigen zwar auch einen Anflug von kühler Stimmung,
allein hier liegt die Berechtignng dazu in dem Charakter des land-
schaftlichen Motivs selbst. Diese beiden Blätter sind ebenso stim-
mungsvoll, wie sorgfältig behanbelt. — L. Spangenberg's Rich-
tung auf eine gewisse melancholische Größe des Styls, welche sich
in seinen Oclgcmäldcn ausspricht, finden wir auch in seinen Aqua-
rellen wieder. Damit im Zusammenhänge steht eine gewisse Schwcr-
tönigkeit in der Gesammtwirkung, ein Vorwalten großer Formen des
Terrains, von der Sonne verbrannter Felsgeklüfte u. dergl, lauter
Momente, die im Aquarell nur bis auf einen gewissen Punkt zur
Wirkung gelangen.

Einen eigenthümlichen Gegensatz dazu bilden die Aquarellen
Ed. Pape's. Nichts kann verschiedener in Auffassung und Behand-
lung sein als die „Ansichten der Akropolis von Athen" von Span-
geuberg und Pape. Letztere freilich sind, das darf man nicht ver-
gessen, zu dem bestimmten Zweck gemalt, um danach die bekannten
Wandgemälde im Neuen Mnseum auszuführen, so daß ihre Wirkung
danach abgemessen werden müßte. Daher auch ihre saubere Detail-
behandlung. Indessen ist der Unterschied zwischen Wandmalerei und
Aquarellistik, abgesehen von der Dimension, nicht allzugroß, und den
Fehler einer poesielosen Buntheit haben sowohl die Wandgemälde
wie die gleichnamigen Aquarellen Pape's. Dieser Künstler läßt sich
nur selten dazu herbei, den Standpunkt der „schönen Gegend-Ma-
lerei" zu verlassen, um sich zu dem einer freieren und tieferen Auf-
fassung der Natur zu erheben. Daß er cs kann, hat er übrigens
in manchem kleinen Meisterwerk bewiesen. — Einen ähnlichen Vorwurf
müssen wir auch Gräb machen, zwar nicht den der Buntheit, aber
doch den der stimmungsloscn Dctailmalcrei. Die Gewohnheit der
vedutenartigen Behandlung, welche auf dem Gebiet der Architektur-
malerei sich nur zu leicht aneignet und sich von diesem auch auf die
Behandlung der Landschaft überträgt, führt bei mehr fleißigen als
energischen Naturen nothwendig zu einer gewissen, überall sich gleich
bleibenden Detaillistik der Manier, welche die Unterschiede des Wesent-
lichen vom Unwesentlichen in demselben Motiv ebenso wenig berück-
sichtigt wie die Charaktcrdifferenzen der verschiedenen Motive selbst.
Daß diese Manier in der Behandlung wesentlich mehr ein Ergebniß
gewissenhafter Arbeit als freien künstlerischen Schaffens ist, dafür
liefert nichts einen schlagenderen Beweis als der Umstand, daß
die Arbeiten des jüngeren Gräb, des Schülers seines Vaters,
den Werken des Letzteren zum Verkennen ähnlich sehen; eine Achn-
lichkcit, die weder für den Einen noch für den Andern ein günstiges
Zeugniß ablegt. Man vergleiche die in jedem Pinsclstrich sich offen-
barende Originalität P. Mcyerheim's, auch eines Schülers seines
Vaters, mit den Arbeiten des Letzteren, um das oben Gesagte bewahr-
heitet zu finden. Glücklicherweise besitzt Gräb eine außerordentliche
Feinheit des Geschmacks für die bildmäßigc Anordnung seiner Mo-
tive. Dies und die Treue in der Wiedergabe der Naturformcn im
Kleinen verleihen, mehr noch seinen Oelbildern als seinen Aquarellen,
immerhin das Gepräge einer großen Meisterschaft und nach dieser
Seite hin auch den einer unzweifelhaften Originalität.

(Schluß folgt.)
 
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