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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0178

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163

Aunstüteratur und Album.

I. Kunllliteratur.

«Aesihetik. — Zeschichie. — Technik.

er Schweizer Holzstyl in seinen cautonalen und kon-
struktiven Verschiedenheiten vergleichend dargestellt mit Holz-
bauten Deutschlands, von Ernst Gladbach, Professor
am Polytechnikum in Zürich. Lieferung 1—8 (Schluß).
Darmstabt, Karl Köhler's Verlag. 1868.

Wir haben schon mehrmals Gelegenheit gehabt, auf den
außerordentlich interessanten, ebenso künstlerisch gediegenen wie
kunsthistorisch wichtigen Inhalt des vorstehend verzeichneten Werkes aufmerk-
sam zu machen, da die ersten Lieferungen desselben bis zum Jahre 1864
zurückdatiren. Da jedoch nur bei
den ersten vier Lieferungen ein be-
gleitender Text beigegeben war und
der größere Theil des letzteren erst
mit der kürzlich erschienenen Schluß-
Lieferung zugleich bis zu Ende ge-
führt wurde, so waren wir um so
weniger in der Lage, über den wissen-
schaftlichen Inhalt uns ein Urtheil
zu bilden, als auch von den illustra-
tiven Beigaben — für dergleichen
Werke ein wichtiges, wenn nicht das
wichtigste Moment — gerade die De-
tails, die konstruktiven Elemente des
Schweizer Holzstyls zum größten
Theil in Holzschnitten dem Text
selbst eingedruckt waren, während
die zahlreichen Kupfertafeln, welche
den Inhalt der Lieferungen 5—7
bildeten, hauptsächlich nur Total-
Ansichtcn, Grundrisse und malerische
Abbildungen der Bauwerke gaben.

Wir waren daher auch bei den späte-
ren Anzeigen der neu erschienenen
Lieferungen genöthigt, nur ganz kurz
auf diese Tafeln hinzuweisen und
eine ausführlichere Besprechung erst
bei Vollendung des Ganzen in Aus-
sicht zu stellen.

Dieser Augenblick ist nunmehr
gekommen, und werden wir unfern
Lesern eine um so vollständigere
Vorstellung von dem interessanten
Inhalt des Werkes geben können,
als uns die Verlagshandlung mit
dankbar anzuerkennender Bereitwil-
ligkeit durch Ueberlassung einer Reihe
von Originalstöcken in den Stand
gesetzt hat, einige der wichtigsten und
interessantesten Detail - Abbildungen
zur Erläuterung unserer Besprechung
mitzutheilen.*)

Was indeß den Zweck und die
Fassung dieser Besprechung betrifft, so müssen wir sogleich die Bemerkung
vorausschicken, daß eine eigentliche Kritik des Werkes von uns nicht bcabsich-
tigt wird. Die Tendenz unsers Journals verbietet dies schon von selbst.
Ein rein architektonisch-wissenschaftliches Werk, welches — wie der Verfasser in
der „Einleitung" ausdrücklich bemerkt — „mehr Gewicht auf das Konstruktive

*) Wir geben heute als Probe derselben nebenstehend eine interessante
Illustration ans der „Mannaberger Mühle", welche außer der linken Gang-
wand einen Ständer nebst Brüstung vom unteren Mllhlboden aus zeigt.

Die Red.

als auf das Malerische legt", kann kritisch nur in einer technischen Bauzeitung
gewürdigt werden, nicht aber in einem Journal, welches zunächst der ästhe-
tischen Kritik, sodann im Besondern den bildenden Künsten und schließlich der
Interessen des gegenwärtigen Kunstlebens überhaupt gewidmet ist. Wir wer-
den uns daher auf eine möglichst objektive, durch Auszüge vervollständigte
Charakteristik zu beschränken haben.

Indeß giebt es doch zwei Punkte, welche den Inhalt des Werkes auch
für uns zum Gegenstände kritischer Betrachtung machen können: 1) der Um-
stand, daß der Schweizer Holzstyl, selbst nach seiner konstruktiven Seite hin,
vorwaltend malerischer Natur ist und folglich in dieser Beziehung auch für
die Gegenwart, z. B. in der Frage des „Villenbau's", von erheblicher Be-
deutung sein dürfte; 2) daß er nach
der ornamentalen Seite hin eine
wahre Fundgrube dekorativer Mo-
tive von höchst originalem Geschmack
bildet. — Dieser Gesichtspunkt leitet
nun weiter dazu, den Schweizer Holz-
fiyl in Beziehung zu setzen zu der
Frage, welche uns seit einiger Zeit
in unseren abhandelnden Artikeln
beschäftigt hat, nämlich über die in
Rücksicht auf Styl und Material
Naturgemäßeste Art der Fa-
?aden-Dekoration. Er liefert
nämlich einen sehr fruchtbaren Be-
weis für unfern Satz, daß jede Art
des Bauens nicht nur in rein
konstruktiver, sondern auch in orna-
mentaler Beziehung sich nach dem
Princip organischer Gesetzmäßigkeit
zu entwickeln habe. Unter „Art des
Bauens" verstehen wir aber nicht
sowohl schon den Styl, der viel-
niehr selber zum Theil erst eine Kon-
sequenz davon ist, sondern den durch
die Natur des Ma terials — Stein-,
Ziegel-, Holz-, Verputz bau —
bedingten allgemeinen Charakter des
Bauens. Wie nach der konstruküven
Seite hin in dieser Verschiedenheit
des Materials der Grund zu iuner-
lichen Differenzen gegeben ist, so auch
nach der ornamentalen. In letzterer
Beziehung kann es unserer Ansicht
nach geradezu als ein Fundamental-
satz ausgesprochen werden, daß das
Material sich seinen ihm eigenthüm-
lichen ornamentalen Styl zu schaffen
habe; und zwar nicht nur rücksichtlich
der allgemeinen Stylformen über-
haupt auf derselben Basis des künst-
lerischen Machwerks, sondern auch
ans verschiedenen Basen des letzteren.
So z. B. eignet sich das plastische
Ornanieitt für den Stein- und Ziegelbau (und in diesen beideti wieder ver-
schieden), die Sgraffitodekoratiou für den Vorputzban (also statt Plastik:
Flächenzeichnung), für den Holzbau durchgehend Schnitzwerk u. s. w.

Doch ans diese Differenzen kommen wir noch zurück; hier wollten wir
nur hervorheben, daß das obenverzeichnete Werk für uns, neben seinem kunst-
historischen und künstlerischen Werth, noch eine besondere Bedeutung besitzt,
nämlich die, Beläge zu liefern für den Kampf, den wir seit einiger Zeit für
die Zurückführung der heutigen Bauweise auf die natur- und darum auch
kunstgemäßcn Principien architektonischer Schönheit und Wahrheit begonnen
haben. (Forts, folgt.)

Ansicht der linken Gangwand der Mannabcrgcr Mühle

bei Effretikon im Canton Zürich.
 
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