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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0188

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dadurch die immer mehr verschwindenden Typen der deutschen Originaltrachten
der Erinnerung aufbewahrt würden, weil durch, den Andrang der Alles nivel-
lirenden und verflachenden Mode — Dank unfern durch die Eisenbahnen ver-
hundertfachten Kommunikationsinitteln, welche überall die Ruhe des Volks-
stilllebens ausstören und die eitle Sucht nach dem Modernen in die entlegensten
Winkel hintragen — jene malerischen und charakteristischen Trachten der deutschen
Stämme bald nur noch als eine schöne Sage existiren oder höchstens als Reste
einer schönen Vergangenheit in Museen zu finden sein dürften.

Aehnlich verhält es sich mit dem ebenso malerischen wie charakteristische»
Holzstyl der Schweiz und Süddeutschlands. Fast mit denselben Worten, mit
denen wir das Verschwinden der deutschen Volkstracht beklagten, äußert sich
der Verfasser des oben verzeichneten Werks über den allmäligen Untergang
des Schweizer Holzstyls: „Die Reihe der älteren, meist auch interessanteren
Holzbauten" — sagt der Vers, in der Einleitung — „nimmt täglich mehr
und mehr ab; was der Zahn der Zeit und die Elemente verschonen, das
muß der einrcißenden nivellirenden Modesucht weichen, dem Mangel an Er-
kenntniß des historischen und künstlerischen Wertstes, oder einem mißverstan-
denen Geschmack. Dazu kommt die Wanderung transportabler werthvoller
Schätze in das Ausland, wie der reichen geschnitzten und mit Holzmosaiken
belegten Möbel, der gemalten und ornamentirten Kachelöfen, ja ganzer Wände
und Deckenbeklcidungen. — In nicht fernen Zeiten wird man von der alten
Ausstattung des Innern dieser Schweizerhäuser in einzelnen Kabinetten eng-
lischer Lords oder reicher Pariser bessere Kunde als auf dem heimischen Boden
erhalten, obgleich diese schönen Geräthe dort nicht denselben Eindruck machen
können, weil sie aus dem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen sind."

Derselbe Gesichtspunkt, von welchem aus wir auf die wichtige Bedeu-
tung der „Deutschen Volkstrachten" aufmerksam machten, hat also auch dem
„Schweizer Holzstyl" gegenüber Geltung. Riehl („Land und Leute" S. 164)
bemerkt: „Die Bauart der Bauerhäuser, wo sie noch historisch und echt ist,
gehört ebenso gut zur Kunstgeschichte, wie das Volkslied zur Geschichte der
Musik". Wir können hinzusetzen: Und wie aus den Volksliedern die be-
rühmtesten Komponisten der modernen Zeit ihre schönsten Opernmelodien
schöpften, so kann die moderne Architektur aus den phantasiereichen und doch
so naiven Schöpfungen des VolkSbaustyls ihre originellsten und charakteristisch-
sten Motive schöpfen.

Was insbesondere den Schweizer Holzstyl betrifft, so bemerkt der Ver-
fasser mit Recht, daß, „wie im Volkslied und in den Volkstrachten, so auch
in dem cigenthümlichen Holzbau der letzten Jahrhunderte die schweizerische
Nationalität einen Ausdruck von allgemein anerkanntem poetischen und künst-
lerischen Werthe gefunden habe." In der Thal zeichnet sich der Schweizer
Holzstyl nicht nur durch seine malerische Wirkung, sondern auch durch seine
reiche Ausbildung in konstruktiver und dekorativer Hinsicht unter den ander-
weitigen architektonischen Bildungen in eminenter Weise aus. Es ist daher
schon von verschiedenen Seiten demselben große Aufmerksamkeit gewidmet

worden.*) Indessen sind bis jetzt vorzugsweise nur diejenigen Holzbauten
des Berner Oberlandes, welche im Blockverbande konstruirt sind, durch
schätzenswerthe Aufnahmen veröffentlicht worden. Aber nicht nur tritt der Block-
bau selbst auch außerhalb des Berner Oberlandes in großer Mannigfaltigkeit
auf, sondern, wenn jene Publikationen, da sie sich nur auf den Blockbau be-
schränken, zu der Vermuthung Anlaß geben könnten, als ob Schweizer Holz-
styl und Blockbau identisch sei, so ist es das große Verdienst Gladbach's,
neben dem Blockbau auch dem Riegelbau in voller Ausdehnung Rechnung
getragen zu haben. Ja, man kann sagen, daß der Hauptvorzug seines Werkes
gerade nach dieser Seite hin liegt.

In seiner Einleitung giebt der Vers, eine allgemeine Ucbersicht über die
charakteristischen Bauformen des Schweizer Holzstyls, woraus wir nachfolgende
Bemerkungen mitzutheilen für geboten erachten. Was zunächst den Blockbau
betrifft, so bemerkt er, daß derselbe außerhalb des berner Oberlandes ab-
weichend auftrete. Derjenige von Unterwalden und Luzern nähert sich
ihni am meisten. In Uri und Schwyz scheint sich die älteste Weise mit
noch mittelalterlichen Formen erhalten zu haben. Die Blockhäuser von Zü-
rich, Zug und St. Gallen mit ihren hohen steilen Schuppendächern zeigen
schon einen entschieden anderen Charakter, welchem sich der von Appenzell
anschließt. — Am meisten entfernt sich davon die Bauweise in den Cantonen
Thurgau und A a r g a u und in den flachen Landen der Cantone Zürich
und St. Gallen, wo der Blockbau mehr oder weniger verlassen wurde. Hier
verbindet sich ein abgespreiztes und verstrebtes Ständerwerk mit eingeschobener
Bohlenwand, womit gleichsam ein Uebergaug zu dem deutschen Riegel-
werksbau angedeutet ist. Gleichzeitig finden wir hier das mit Steinen
ansgemauerte, oder mit Strohlehm und Holzstecken ausgesüllle Fachwerk zahl-
reich vertreten, doch aber stets in Verbindung mit der den Schweizern eigenen
schwunghaften Behandlnngsweise des Holzes. Wie sich das schweizer Block-
haus mit dem tyroler in Parallele stellen läßt, so dürste jenes Ständerwerk,
welches sich auch noch in einem Theile des berner Oberlaudes findet, der
Bauart des Schwarzwaldes, und die erwähnten Fachwerkbauten, denen in
einigen Gegenden Deutschlands sich zu belehrenden Vergleichen an die Seite
stellen lassen. Andere interessante Vergleiche bieten die Grnndrißanlagen der
Bauernhäuser in Solothurn, Obcraargan und Emmenthal, wo
Viehzucht mit Ackerbau in der Art verbunden ist, daß, wie in den Marschen,
Menschen und Vieh unter einem weiten Dache untergebracht sind, dessen groß-
artige Räume zur Aufbewahrung von Vorräthen dienen, so daß das ganze
Hans mehr Dach als Mauern zeigt. Die berner Holzbauten tragen überall,
wo sie als Blockhäuser auftreten, den streng ausgeprägten Typus des Blcck-
verbandes an sich. Die möglichst durchlaufenden liegenden Wandbalken übcr-
schneiden sich an allen Kreuzungspuukten mit Abgabe ihrer halben Holzstärke
und treten außen als sogenannte Vorstöße vor den Wänden um eine Holz-
stärke vor. Dabei haben die Dächer eine flache dem serneren Süden ent-
sprechende Neigung, um die Schindeleindcckung mit schweren Steinen belastet,
tragen zu können. (Forts, folgt.)

*) Vergl. Graffenried und Stürler: -4rcki>teeturs Suisse. — Hochstätter: Schweizer Architektur. — Varin: l’architeeture pittoresque
en Suisse. — Förster's Bauzeitung sc.

--

Kunstgeschichte.

Auck ein offener Ines' NN Hennnnn Allinersi in Rerlrtk'njleili.

Verehrter Freund!

Daß Sic nach den vielen offenen Briefen, welche Ihnen Ihr Freund
Julius Große in München über die letzte Kunstausstellung des Nord-
deutschen Gesammtvereins in der „Weser-Zeitung" schrieb, „auf diesem nicht
chehr ungewöhnlichen Wege", selbst wenn er über Berlin geht, abermals
einen Brief erhalten, wird Sie gewiß eben so wenig wundern, als daß ein
solcher von mir kommt. Denn als Sic Ihre Gedanken im Krenzgange des
t»esigen Domes lustwandeln ließen — wenn es anders jetzt eine Lust ist,
barin zu wandeln — und am Ostermorgcn als Hoffnungen und Wünsche
sur die Auferstehung dieses ehrwürdigen Denkmals in der „Weser-Zeitung"
kund gaben, da konnten Sic sich wenigstens sagen, — daß Sie es nicht
gesagt haben, nehme ich Ihnen nichl übel — daß diese Ihre Wünsche und
Hoffnungen auch mir aus der Seele geschrieben sind, und daß ich der erste
sein würde, der Ihnen seine volle Zustimmung ausdrllckt. Ja freilich ist es
ein wahrer Jammer, daß der Kreuzgang unseres Domes in solcher Mißach-
tung dasteht und zu nichts Anderem dient, als eincrseiis zu einem in die
-Kirche führenden Durchgänge, andrerseits zu einer den Blicken der Kirch-

gänger wohlweislich verhüllten ordinären Rumpelkammer, die Sie noch viel
zu glimpflich und gnädig mit einem Güterschuppen vergleichen. Denn ein
Güterschuppen birgt werthvolle Güter; was dagegen hier in einem Flügel
des Kreuzgangcs geborgen wird, kann man mit dem besten Willen keine
Güter nennen. Ein noch größerer Jammer, um mich keines stärkeren Aus-
drucks zu bedienen, ist es, den Klostergarte» ans der Ferne anzusehen, denn
in die Nähe desselben wagt man sich nicht leicht. Seine Herabwürdigung
hat er nur dem unseligen Abhängigkeilsverhältnisse zu verdanken, worin die
Schule mit der Kirche steht, ein Verhältniß, das die Kirche hier sogar in den
übelsten Geruch von der Welt gebracht hat.

Allein der eigentliche Zweck meines heutigen Schreibens ist nicht blos
der Ausdruck der Zustimmung zu Dem, was Sie über den architektonischen
Werth uiid die Verwahrlosung diese« Kreuzganges und die viel schlimmere
Herabwürdigung des Kreuzgarten« gesagt haben. Ich hätte vielmehr gern
gesehen, daß Sie von den bloßen Anbauten und Umgebungen des Domes
mit Ihren Gedanke» und Wünschen in das Innere desselben und zwar in
das den gewöhnlichen Augen verschlossene Innere vorgedrungen wären. Und
 
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