Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0203

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
188

bedeutendem Ursprünge, von Giorgione, Paul Veronese, Murillo,
Rubens, van Dyk u. s. f. Das Verzeichniß von Pape, vom Jahre
1849, enthält 656 Nummern, von welchen zwanzig bei Anferti-
gung des Verzeichnisses vom Gallerte-Inspektor Barthel im Jahre
1859 nicht mehr vorgefunden sind." — Wer weiß, wie viele
der wegen Mangels an Raum in entlegenen Lokalen anfbewahrten,
zum Theil schätzbaren Gemälde, über welche eine Nachweisung nicht
vorhanden ist, abhanden gekommen ist. Von den kostbaren Radi-
rungen Rembraudt's, von welchen die Kupferstichsammlung eine
vollständige Folge gehabt haben soll, sind, wie es heißt, nur acht
Stück vorhanden; die übrigen, sowie viele andere von Albr. Dürer
und anderen Meistern sind verschwunden oder mit schlechten Nach-
bildungen ohne Werth vertauscht. Von der früheren Sammlung
chinesischer Figuren in Speckstein ist fast keine Spur mehr zu finden.
Die beträchtliche Münzsammlung soll fast sämmtlicher römischer
Gold- und vieler Silbermüuzen beraubt sein, allein, wie behauptet
wird, im Werthe von über 10,000 Thlr. Das sind haarsträubende
Entdeckungen, welche man in neuester Zeit gemacht hat, und der Kunst-
freund darf sich wohl Glück münschen, daß eine energische Aufsicht
und Verwaltung den Rost, welcher sich im Laufe der Jahre über
dem Museum abgelagert hatte und der wahrlich keine aerugo nobilis
war, fortzublasen bemüht ist. Wir würden uns freuen, wenn wir
des Jrrthums geziehen und eines Anderen belehrt würden; aber leider
sind unsere Behauptungen nur zu wahr! Dabei drängt sich un-
willkürlich die Frage auf, wie eine solche, offenbar durch Jahre hin-
durch fortgesetzte Beraubung nicht nur damals unentdeckt bleiben,
sondern auch erst jetzt zur Entdeckung gebracht werden konnte.

I Bremen, im Mai. (Ausstellung des norddeut-
schen Gesammtvereins: Landschaftsmalerei. Forts.) Von
Mil ln er ist eine „Gebirgslandschaft im Spätherbst", die zwar in
ihrem herbstlichen Laube naturwahr ist, aber in der Hauptsache, in der
Malerei der Gebirge, eine manierirte Weichheit verräth, von welcher
der Künstler hoffentlich bald wieder zurückkehren wird..— Hansch
ist ein sehr geschickter Komponist und vortrefflicher Zeichner, aber im
Kolorit manchmal ein wenig trocken. An diesem Fehler leidet sein
im klebrigen so großartiger Gebirgswald. Das zweite Bild von
ihm, „Der Sonnenuntergang", ist ein eigenthümlich künstlerisches
Meisterwerk, das die Sonne Larstellt, wie sie, über einem von wal-
digen Bergen umgebenen See untergehend, einen durch die feuchten
Dünste hervorgebrachten rothen Lichtstreifen senkrecht bis in den Vor-
dergrund herabläßt. Das ist frappant, kühn und naturwahr: ob je-
doch diese Erscheinung ein Vorwurf für die Malerei ist, kann noch
bezweifelt werden.

Wenn ich die Fülle des noch vor mir liegenden Stoffes über-
schaue und so fortfahren wollte, so fürchte ich, wäre kein Ende ab-
zusehen. Gestatten Sie mir also, die Alpenlandschaftcn hier zu ver-
lassen und der Darstellungen italienischer Natur nur kurz zu geden-
ken. Ihr Hauptvertreter ist, da ich Leu's Sonuenkunststück schon
oben erwähnt habe und Oswald Achenbach weder aus eigenem
Antriebe (was er schon lange nicht mehr thut) noch durch das Me-
dium eines Kunsthändlers erschienen ist, sein Schwager A. Flamm.
Sein Bild ist kein geringeres als das „Motiv bei Kastell Gan-
dolfo", das, anderwärts schon gepriesen und in der That eins der
herrlichsten, den Darsteller und den dargestellten Gegenstand am frap-
pantesten charakterisirt. Je mehr es uns fesselte, desto mehr wurde
es auch von uns gefesielt. Es fand gleich in den ersten Tagen seinen
Käufer. — Ganz anderer, aber vielleicht ebenso proteusartiger Natur
wie Oswald Achenbach und Flamm ist der hier sehr beliebte Fritz
Bamberger in München, der diesmal nur in vier kleineren, zum
Theil skizzenhaften Bildern erscheint. Aber trotz dieser Skizzenhaf-
tigkeit sind alle vier, jedes in seiner Art und Stimmung, bedeutend,

das bedeutendste eine „Ansicht von Algesiras bei Gibraltar", sehr ab-
weichend von der früheren größeren Darstellung desselben Gegen-
standes. — Eine recht gute Leistung ist auch „Die Straße bei Rom"
von Gustav Cloß in München.

Bevor ich mit den in mehr oder weniger enger Beziehung zur
Landschaft stehenden Fächern der Thiermalerei, der Winter- und
Mondscheinbilder, der Marine-, der Architektur- und Städtebilder
und des Stilllebens den Schluß mache, gestatten Sie mir kleine
Versäumnisse uachzuholen. Dahin gehört der sehr geschätzte Herm.
Kauffmann in Hamburg, der in seinem landschaftlichen Genre bald
die Landschaft, bald das Ganze überwiegen läßt. Neben zwei recht
gut gemalten Bildern „Der Heuwagen" und „Der Abend", auf
denen es weder regnet noch schneet, giebt er uns eine kleine, aber
recht dicke Probe seiner Regen-Specialität oder -Virtuosität. In die-
sem „Regenwetter" schüttet Jupiter Pluvius die ganze Schale seines
Zorns aus die Erde herab, so daß von Trockenheit der Darstellung
nicht mehr die Rede sein. kann. Alles, was man vor sich sicht, ist
durch und durch naß: die Landstraße, der mit Leinen überspannte
Reisewagen, die Pferde, die Passagiere, das Wirthshaus u. s. w.
Wahr ist es, daß wie der getrübte Anblick des Ganzen, so auch
jedes kleinste Detail mit einer solchen Naturwahrheit dargestellt ist,
daß dem Beschauer fast die Reiselust vergehen und er sich glücklich
schätzen muß, nicht unter freiem Himmel zu sein; wie man aber
dieser Naturwahrheit wegen das Bild so hoch stellen kann, wie es
hier geschehen, will mir nicht einleuchten. — Lieber ist mir trotz der
großen Dimensionen des Bildes, die „Getreide-Einfuhr in der Nor-
mandie" von Hall atz in Berlin. Da ist auch keine tiefere Idee,
aber gesunde, kräftige Färbung und eine Pinselführung, der man die
französische Schule anmerkt; da sind kräftige Menschen und stattliche
Thiere. — Der dritte, nachträglich zu erwähnende Künstler (weil er
selbst beinah post festum kam) ist Ad. Schmidt in München, dessen
„Unliebsame Begegnung", ein Genrestück in winterlicher Umgebung,
im Styl stark an Bürkel erinnert, aber koloristisch kräftiger und
freier behandelt ist. Eine Reisewagen biegt auf der Landstraße um
eine Felsecke und ist im Begriff bergab zu fahren, als ihm plötzlich
ein Bär mit seinem Führer begegnet, so daß die Pferde des Wagens
durch ihr scheues, ängstliches Zurückfahren die ganze Reisegesellschaft
in Schrecken setzen.

So bahnt mir unabsichtlich das Thiergenre den Weg zur Dar-
stellung der übrigen Hausthiere, also auch zur Idylle, ein Gebiet,
das im Ganzen wenig Hervorragendes, aber zwei ergötzliche Dinge
aufzuweiscn hat. Das eine ist ein schon älteres Bild des vielseiti-
gen Charles Verlat in Antwerpen, betitelt „Mitglieder des Mä-
ßigkeitsvereins", nämlich eine Schaar alter und junger Enten, die,
geistreich in den Motiven, voll Kraft und Saft in der Farbe, in
und an einem Teiche es sich unendlich wohl sein lassen. — Das
andere, ebenso sinnreich betitelt „Die kleinen Philosophen" von Gust.
Süß ist eine Schaar von Küchlein, die, eben aus dem Ei gekrochen,
ihr Dasein in philosophischem Nachdenken beginne». — Außerdem
einige mit der gewöhnlichen Bravour gemalte „Pferde" von Ber-
sch u u r in Haarlem und ein einziges Jdylleustück im engeren Sinne
des Wortes: „Kühe und Ziegen vor einem Haag" von Fr. Voltz,
die in der bekannten, kräftig naturwahren Weise des Künstlers aus-
geführt sind.

Recht gut, wenn auch nicht zahlreich vertreten, ist sowohl das
Fach der Winter- als das der Mondscheinbilder. Da sind
treffliche Leistungen: von Kluyver in Amsterdam „Gelder'sche Land-
schaft im Winter", von Wilh. Klein in Düsseldorf „Winterland-
schaft aus der Gosau" und vor allen Dingen der unermüdliche
Ad. Stademann, dessen großer „Winterabend" mit seiner unter-
gehenden Sonne zu den besten Stimmungsbildern zu zählen ist. —
 
Annotationen