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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0341

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mindesten ist sicher, daß seit dem Jahre 1619 viele und sehr kostbare
alte Gemälde einen barbarischen Untergang fanden.

Hervorragende plastische Werke finden sich im Innern der Kirche
nur noch wenige, einige Grabsteine und ein Taufbecken von Sand-
stein. Zwei zur Linken vom Haupteingang eiugemauerte Grabsteine
scheinen nach dem Styl der Zeichnung der darauf befindlichen Dar-
stellungen, wie nach der technischen Behandlungsweise aus der Zeit
der Erbauung der Kirche herzurühren. Der eine zeigt in eingeritzten
Linien eine weibliche, mit Naturgesühl behandelte Gewandfigur, zu
Seiten des Hauptes ein Stern und eine Mondsichel; der andere,
weniger gut erhalten, stellt in flach erhabenem, doch kräftigem Relief
eine männliche Figur in Rüstung dar. Das Taufbecken, gothisch,
ist aus einem Sandsteinblock ausgemeißelt und muß als ein Meister-
werk der Steinskulptur bezeichnet werden. Ringsum auf der Außen-
fläche sind zierliche Nischen herausgearbeitet, in denen Apostel oder
Heilige dargestellt sind. Diese Figuren, beinahe rund heraustretend,
welche auch bemalt waren, sind leider stark beschädigt, doch verräth
das Ganze eine feine Küustlerhand, und es ist zu bedauern, daß
diesem Denkmal keine bessere Stätte zu Theil ward als der öde
Winkel des Gemäuers, in welchem es gegenwärtig umgestürzt liegt.

Endlich haben wir noch jene kleine Portalhalle zu erwähnen,
welche einem östlichen Eingang vorgelegt ist. Sie umschließt ein
Viereck von mäßigem Umfang, und an den Kapitälen ihrer zahlreichen
Fenster-, Wand- und Portalsäulchen ist in der bekannten Weise der
romanischen Periode eine Fülle symbolischer und grotesker Thicr-
und Menschensiguren dargestellt, die, wie viele ihres Gleichen aus
jener Periode dem mythologischen Vorstellungskreise des alten Orients
entnommen zu sein scheinen. So sehen wir hier einen Mann mit
Fischleib (vergl. den altbabylonischen Fischgott Oannes-Dagon) wel-
cher mit einer Axt gegen einen Löwen ankämpft, ferner einen Ken-
tauren, mit vorgehaltenem Schild und erhobenem Speer gleichfalls
gegen einen Löwen ankämpfend, und Anderes der Art, angesichts dessen
man unwillkürlich die Stelle des Berosos (6er. fragm. ed. Richter,
p. 49) denkt, wo er sagt, daß zur Zeit des Chaos unter anderen
schrecklichen Gestalten auch Menschen mit Pferdeleibern und andere
mit Fischleibern gelebt hätten und Drachen u. s. w., deren Bilder
im Tempel des Bel der Reihe nach aufbewahrt würden. Wenn
auch das Christenthum vielfach seine eigene Symbolik schuf, so liegt
doch z. B. den Kämpfen gegen wilde Thiere, wie wir sie häufig dar-
gestcllt finden, im Wesentlichen die allorientalische Idee zu Grunde:
Kampf gegen das Böse, und so könnte auch jener alte, Sitten und
Segen bringende Fischgott der Chaldäer in dieser verjüngten Gestalt
als eine Verkörperung christlicher Anschauung gelten. Sein Kampf
mit dem Löwen bedeutet im Grunde nichts anderes, als wenn sich
zu Füßen des gekreuzigten Christus ein Löwe windet, wie wir es
auf einem Relief in der Kirche zu Dagobertshausen*) (in Hessen)
dargestellt fanden, nur daß hier die Ueberwinduug des Bösen, dort
aber der Kämpf gegen dasselbe veranschaulicht wird. Aber auch in
stylistischer Beziehung werden wir an jene alten Vorbilder erinnert,
wenn, wie z. B. bei Bildwerken der ronianischen Zeit und so auch
bei den in Rede stehenden, häufig die Haare der Menschen und Thiere
in der konventionellen Weise der assyrischen und frühhellenischen Kunst
dargestellt sind. Ebenso ist auch der Faltenwurf des Gewandes
an einem aus Sandstein gehauenen und an der Nordseite der Stadt-
kirche zu Hersfcld eingemaucrten Maricnbikde (runde Figur) durchaus
antik. Endlich bietet auch jener Grabstein mit der weiblichen Figur
einen merkwürdigen Vcrgleichungspunkt (wenngleich wir hierbei einen

*) Eine kleine, noch jetzt ihrer Bestimmung dienende gothische Kirche,
deren schöner Chor vor einigen Jahren durch eine Bretterwand in barbarischer
Weise abgesperrt worden ist, während sie ihre werthvrllcn Glasgemälde schon
früher für einen Neubau hergeben musste.

inneren Zusammenhang keineswegs aufsuchen wollen), insofern die zu
Hänpten der Figur dargestellten Himmelszeichen, Stern und Mond-
sichel auffallend an die nämlichen Himmelszeichen erinnern, die wir
auf assyrischen Felswänden und Reliefplattcn zu Häupten weib-
licher Gottheiten dargestellt finden. — Es würde zu weit führen
wollten wir die antiken Anklänge, davon wir noch manches merk-
würdige Beispiel auf unserer kleinen Wanderung fanden, noch weiter
variiren; das Angeführte genügt, um uns von Neuem die Worte
Karl August Böttiger's beherzigen zu lassen: Des Alterthums
Erforscher sei ein Januskopf, rückwärts und vorwärts schauend. Für
die Jetztwelt sei die Vorwclt da. Wo nicht, so tönt's wie Schellcnklana.

(Schluß folgt.)

8. Vrnunschweiq, im Oktober. (Tod des Inspektor
Brandes.) Braunschweig hat einen harten Verlust erlitten. Am
6. d. M. starb daselbst der Professor der zeichnenden Künste vom
Kollegium Karolinum und Inspektor der herzogl. Gemäldegallerie,
Heinrich Brandes, unter den jetzt lebenden Malern Braunschweigs
unstreitig der bedeutendste und, wenn auch früher mehr als in letzter
Zeit, als Landschafter sich eines großen Rufes erfreuend. Hans
Heinrich Jürgen Brandes, gcb. am 23. Mai 1803, ist der Sohn
eines schlichten Landmannes aus dem Dorfe Bortfeld, zwei kleine
Stunden von Braunschweig gelegen. Das Dorf Bortfeld zeichnet
sich vor allen umliegenden Orten dadurch aus, daß seine Einwohner
fest und zähe an der alterthümlichen Kleidung haften, sich überhaupt
in Sitten und Wesen von den übrigen Landbewohnern merklich unter-
scheiden. Auch in dem Festhalten au dem alten Glauben sind die
Bortfelder stark. So kam es, daß I. H. St ob w asser, der Grün-
der berühmten Stobwasser'schen Lackirfabrik in Braunschweig, später
in Berlin, ein eifriges Mitglied, ja der eigentliche Stifter der Brüder-
gemeinde in Braunschweig, den frommen Vater des kleinen Heinrich
und diesen selbst kennen lernte. Da Vater Stobwasser in dem kleinen
Brandes Talent zum Zeichnen und Malen entdeckte, so nahm er
denselben zu sich, ließ ihn in einer hcrrnhutischen Erziehungs-An-
stalt zu Ebersdorf im Voigtlande erziehen und brachte ihn dann in
seine in Braunschweig errichtete, in großem Rufe stehende Maler-
schule. Diese hatte jedoch nur den Zweck, tüchtige und gute Arbeiter
für Dosen und Lackirwaaren heranzubilden. Höhere Kunst stand ihr
fern. In dieser Schule genoß Brandes den Unterricht des befähigten,
als Zeichner und Kupferstecher bekannten Fr. Barthel. Des jungen
Künstlers Talent entwickelte sich in so bedeutendem Maaße, daß ihm
bald die Stobwasser'sche Anstalt nicht mehr genügte. Br. begab sich
im I. 1823 nach München, wo er, durch seinen väterlichen Freund
Stobwasser unterstützt, bis zum Jahre 1825 die Akademie besuchte.
Cornelius, unter dessen Leitung er sich Anfangs der Historien-
malerei widmete, führte ihn auf das eigentlich für ihn geeignete Kunst-
feld, zur Landschaftsmalerei. In München erhielt Br. zuerst einen
wahren Begriff von der Kunst und die rechte Kunstweihe. Hier ent-
wickelte sich sein Talent in auffallend schneller Weise, und um sich
mehr noch zu bilden, verweilte Br. nach seinem Abgänge von der
Akademie noch 5 Jahre in München und machte von hier aus in
Tyrol und dem baierschcn Hochlande seine Studien. Hier erwarb
er sich durch seine Bilder aus den genannten Ländern bedeutenden
Ruf. Lichtvolle Anordnung, poetische Auffassung und lebhaftes Ko-
lorit, verbunden mit dem Zauber der ungesuchtestcn Natürlichkeit,
zeichneten seine Gemälde vor vielen ans, man zählte den jungen
Künstler bald unter die ersten Landschafter der münchener Schule.
Künstlerische Ausbildung war des jungen Brandes eifrigstes Be-
streben; er wollte zeigen, daß auch aus einem dummen Bauerjungen
ein strebsanier Künstler werden könne. Nachdem er zu seiner Be-
lehrung eine Rundreise durch Deutschland unternommen, begab sich
Br. im I. 1830 nach Italien, wo er sich zwei Jahre lang, vor-
 
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