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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0408

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an, indem er über das Mittelmeer nach Egypten, Syrien, Pa-
lästina, sodann zurück über Kleinasien, die Türkei und Griechen-
land wanderte. Auch von dieser Reise brachte er (1852) einen
reichen Schatz der herrlichsten Aquarellen mit, die zum großen
Theil in königlichen Besitz übergingen. Jetzt blieb er etwas
länger in Berlin, und in dieser Zeit — es waren vier Jahre
— entstanden seine großen Bilder aus „Jerusalem", „Beth-
lehem", „Die Straße zu Eßneh in Ober-Egypten", mehrere
Darstellungen aus „Cairo", die meistens in hiesigen Privatbesitz
übergegangen sind. Die Tropen Amerikas und Afrikas, sowie
den in mehrfacher Beziehung zauberhaften Orient hatte er nun
absolvirt und mit ihrer glühenden Schönheit seine Phantasie
gesättigt. Wollte er ganze neue Anschauungen gewinnen, so
blieb ihm nur Eins noch zu sehen: der Norden; nach der tro-
pischen Glühhitze die Polarkälte, nach der mit Palmen bestandenen
Wüstengrenze Afrikas die Eisgebirge des Nordcaps. Wer Hilde-
brandt's eigenartiges, stets auf das Gewaltige und Außerordent-
liche der Naturwirkung gerichtetes Studienbedürfniß kennt, konnte
diese Reise nach dem Nordcap, welche er im Jahre 1856 an-
trat, fast aus einer gewissen Naturnothwendigkeit seines künst-
lerischen Charakters erklären. Er ging über Dänemark, Nor-
wegen und Schweden bis zu den ewigen Schneeregionen des
Nordcaps, von wo er jedoch nach kaum Jahresfrist zurückkehrte,
wie immer mit reicher Ausbeute an Zeichnungen und Aquarellen.
Diese letzteren, zuweilen mit frierender und fast von Kälte
erlahmender Hand gefertigt, gehören vielleicht zu dem Schön-
sten , was er je geschaffen. •— Jetzt trat abermals eine Zeit
fleißigen Arbeitens im ruhigen Atelier ein; während der nächsten
fünf Jahre machte er nur einige kleine Abstecher nach Italien,
um sich ab und zu an den klassischen Formen und der heileren
Farbenstimmung des gelobten Landes zu erfrischen.

In der That, wohin hätte er noch gehen können, um
neue Zonen zu erforschen: nach Süden zuerst, dann nach Westen,
daraus nach Osten, endlich nach Norden war sein ruheloser Fuß
gewandert; alle Himmelsgegenden hatten ihren Tribut a» Schön-
heit und Farbenpracht ihm liefern müssen; doch wenn er, einem
Faust in der Kunst gleichend,

„Vom Himmel forderte die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,"

so kann man mit noch größerem Rechte von ihm sagen, daß
„Alle Näh' und alle Ferne
Befriedigte nicht die tiefbewegte Brust."

Was blieb ihm noch? das Letzte: das ganze Erdenrund
zu umfassen. Nach allen vier Himmelsgegenden war er gestreift,
aber von jeder zurückgekehrt; jetzt wollte er die ganze Erde
haben: das war seine größte, seine „Welttour", die er am
11. September des Jahres 1862 antrat. Aus der geistvollen
Bearbeitung Ernst Kossack's, welche, nach den Notizen und
Erinnerungen Hildebrandt's versaßt, zuerst im Feuilleton der
„Post", dann als besonderes Werk erschien, ist diese an Erleb-
nissen und Fährlichkeiten verschiedenster Art überaus reiche „Reise
um die Erde" weiteren Leserkreisen bekannt geworden; wir begnü-
gen uns daher, hier nur die Hauptstationspunkte seiner Tour an-

zugeben: er ging über Wien, Triest, Corfu nach Alexan-
drien, weiter nach Cairo und Suez, von hier über Aden
nach Bombay und Ceylon, sodann über Madras und
Calcutta, landeinwärts nach Benares, Luknow, Delhi
u. s. f., wieder zurück nach Calcutta und von hier hinüber
nach Birmah, Rangoon, dann Singapore, Siam,
weiter nach China, Manilla, Japan über den stillen Ocean
nach St. Francisco und von hier aus über Mexiko, die
Landenge von Panama, Westindien nach England, von
wo er im Sommer 1864 endlich nach Berlin zurückkehrte. —
Eine Gallerie von fast 400 Aquarellen war die künstlerische
Frucht dieser seiner letzten großen Reise. Die Hauptblätter
waren im November 1864 im Kunstvereinslokal ausgestellt und
erregten durch die außerordentliche Mannigfaltigkeit in der Ton-
stimmung die ungetheilteste Bewunderung. Leider sind sie nicht
durch Ankauf für ein öffentliches Kunstinstitut, etwa die Natio-
nalgallerie, Gemeingut der Nation geworden, sondern in Pri-
vatbesitz übergegangen. Jndeß mag hier sogleich erwähnt wer-
gen, daß für diesen Verlust ein Ersatz geboten ist durch die
meisterhafte Vervielfältigung der schönsten Hauptblatter in Aqua-
relldruck. Hildebrandt erlebte noch die Vollendung der ersten
sechs dieser den Originalen sehr nahekommenden Reproductionen
und gab darüber ein höchst anerkennendes Zeugniß ab, das wir
bereits in der Besprechung derselben (s. Album in Nro. 45)
mittheilten.

Nach Vollendung seiner Welttour, die er selber als seine
„letzte große Reise" betrachtete, richtete er sich nun ganz darauf
ein, die künstlerischen Ergebnisse seiner Studien in einer Reihe
großer Gemälde zu verwerthen; aber hätte er das Alter Me-
thusalems erreicht, er wäre nicht, bei angestrengtester Arbeit, im
Stande gewesen, den ganzen Schatz seiner in ihm lebenden
Bilder in Farben zu bringen. Wenn man, Angesichts der ge-
waltigen Tonschöpfungen eines Mozart, trauervoll sich fragt,
was ein solcher Genius hätte schaffen können, wäre die in seiner
Seele klingende Tonwelt durch den unerbittlichen Finger des
Todes nicht zerstört worden, da er noch in der Blüthe seines
Lebens und in der Vollkraft seines Schaffens stand — so kann
man auch bei Hildebrandt's Andenken den unersetzlichen Verlust
bedauern, welcher der Welt durch die ungemalt gebliebenen Werke
seiner kunstgeübten Hand erwachsen ist. — Dennoch — und
dies mag ein Trost dafür sein — möchten wir glauben, daß
er das Beste, was er zu schaffen im Stande war, uns gegeben
hat. In der Oelmalerei wäre es geradezu unmöglich, eine noch
höhere Wirkungssteigerung sich zu denken; ja die, welche er er-
reicht hat, ist — seine letzten großen Bilder beweisen cs —
immerhin nur möglich gewesen durch eine Opferung anderer
edler Momente der künstlerischen Wirkung, namentlich der ideellen
Wahrheit der Form und deren organischen Lebens. Was aber
seine Aquarellen betrifft, so haben sie einen natürlichen Abschluß
in seiner letzten großen Reise gefunden. Die Hildebrandt'schen
Aquarellen zählen nach Tausenden und enthalten Alles, was seine
schönheilsdurslige Seele in sich aufnahm und was sein feines
Farbengefühl wiederzugeben im Stande war. (Schluß folgt.)
 
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