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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Barchan, Paul: Helene Pedriat
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0017

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HELENE PERDR1AT. >- M öLLERS-TOCHTERf

HELENE PERDRIAT

VON PAWEL BARCHAN

A ngesichts der Bilder der Perdriat erlebt man
i\. eine Freudigkeit und Dankbarkeit, man
fühlt, daß diese kindhafte, begnadete Kunst, das
heißt Äußerung eines abgerundeten, ganzen
Wesens der Sanktion erst gar nicht bedarf, um,
sagen wir, in den Orden aufgenommen zu sein.
Sie ist da, wie ein Kind plötzlich an einem ge-
fährlichen Abgrund steht, von einem Engel be-
wacht und bewahrt.

Ihr Wesen ist ein glückliches Gemisch von
beschwingtem Temperament, sorgloser Anmut,
leichter, flüchtiger, doch alles durchdringender
und aufneh mender Sinnlichkeit, Instinkt und
Witz, lang vererbtem Hang am Naschen und
alles Auskosten, Freude an der Luft, Farbe und
Bewegung. Dies alles durchsetzt, zum Teil auch
eine Folge hiervon, vom Glücksgefühl ob des
reichen Bodens, des milden Klimas, der ver-
erbten Güter, der Einigkeit und Freudigkeit.

Aus ihrem französischen Geist heraus emp-
findet, im vollen Sinne des Wortes, Helene
Perdriat ihr eigenes Wesen, ihre eigene Körper-
lichkeit; durch dieses französische Temperament
sieht sie das Stück ihrer eigenen Natur.

„Sie arbeitet wie ein Kind, immer darauf los",
sagt von ihr ihr Mann, der norwegische Kubist
Thorvald Heilesen, und er sagt dies mit einem
Gemisch mütterlich - ritterlichen Stolzes und
jener Furcht des Unbegreifens: „hätte doch
auch ich diese Leichtigkeit!"

Es wäre mal lohnend, Betrachtungen anzu-
stellen über die Naivität und Gerissenheit, das
heißt die kindliche, kleinmädchenhafte Leichtig-
keit, mit der Künstlerinnen zum Ausdruck des
eignen Charakters, der eignen Physiognomie sich
durchtasten, sozusagen sich durchraten. Ich
möchte sagen, sie finden in ihrer spielerischen
Verspieltheit die Formel für ihre individuelle

XXIX. April 1920. 1
 
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