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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Breuer, Robert: Kunst und Gemeinschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0156

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KUNST UND GEMEINSCHAFT

VON ROBERT BREUER

Der Künstler schätzt es nicht, einem sozialen
Komplex zugerechnet zu werden; er will
ein Einzelner sein. Die Gemeinschaft bean-
sprucht den Künstler wie jeden anderen Bürger
und verlangt, daß er ihr diene. Der Künstler
bestreitet, mit irgendjemandem Gemeinschaft
zu haben; er kennt nur sein Ich, seine Persön-
lichkeit, seine noch nie zuvor dagewesene Vor-
stellungswelt und seine nicht nachzuahmende
Handschrift. Die Gemeinschaft, im besonderen
soweit sie das Werk des Künstlers besichtigt,
bestellt und kauft, meint, daß ohne sie der
Künstler nicht einmal sein Dasein hätte, und
daß er zugrunde gehen müßte, wenn die Ge-
meinschaft sich ihm verschlösse.

Wie so oft, sind beide Auffassungen richtig
und zugleich falsch. Als ein Schaffender, im
Vorgang der Empfängnis, der Gestaltung und
des Gebärens ist der Künstler ganz fern jeder
Bindung zu irgendetwas und irgendwem, außer

zu sieht selbst. Es ist eine kunstfremde Ansicht,
daß der Künstler sein Werk durch eine dritte,
fremde Größe beeinflussen lasse. Er fragt nicht
einmal nach dem Auftraggeber. Nicht einmal,
wenn er ein Bildnis malt. Er gehorcht nur
seinem Dämon, und die einzige Gemeinschaft,
die er empfindet, anerkennt und wirksam
werden läßt, ist die sinnliche und geistige Ge-
meinschaft mit dem Kunstwerk, das er als ihm
blutverwandt erkennt, das vielleicht nachbarlich
entsteht, das auch um Jahrhunderte zuvor ent-
standen sein kann. Selbst Künstler, die von
der Geschichte zu einer Gruppe, zu einer
Schule, einem Stil zusammengefaßt werden,
wollen von solcher Zugehörigkeit wenig wissen
und erklären ihre eigene Art für entscheidender
als die Umgrenzung, in die sie von den Fach-
leuten eingezwängt werden.

Der Künstler spürt nicht die Fesseln der Ge-
meinschaft, noch deren Gesetze und Grundbe-
 
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