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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Cremers, Paul Joseph: Emil Fahrenkamps Innenraumgestaltung der Mülheimer Stadthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0113

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EMIL FAHRENKAMPS INNENRAUMGESTALTUNG
DER MÜLHEIMER STADTHALLE

Tber den Auftakt zu dieser bisher größten
LJ Leistung Emil Fahrenkamps gaben in
anregender Weise jene intimen Raumschöpf-
ungen Rechenschaft, die im Märzheft dieser Zeit-
schrift veröffentlicht worden sind. Entrollte sich
dort das Bild einer heiteren Suite, edel in der
Melodie der geformten Linien, getragen in der
Tonsprache der Farben und Hölzer, so erstand
hier eine einheitliche Arbeit symphonischen
Ausmaßes. Seit Poelzigs Großem Schauspiel-
haus von 1920 eine der bedeutendsten Auf-
gaben neuer festlicher Raumgestaltung.

Die Stadthalle bietet viertausend Besuchern
Raum, ihr großer Saal faßt deren zweitausend,
der kleine Festsaal dreihundert Gäste. Dazu
die notwendigen Paladine doppelter Wandel-
gänge und Foyers, Gesellschaftssäle und Sitz-
ungszimmer. Der Organismus dieser in eng-
ster Gemeinschaft stehenden Raumfunktionen
entschied mit der Dimension über den Stil.

Denn hiermit wuchs die Aufgabe, der künst-
lerische Grad ihrer Lösung in eine andere,
höhere Ebene. So sehr ein Privatraum von
der stilbildenden Kraft seines architektonischen
Schöpfers aussagt, er verschweigt, je durchge-
bildeter er ist, nicht viel weniger von der Art
jener Menschen, die in ihm wohnen sollen. Sie

kennt der Künstler. Was weiß jedoch der
Schöpfer eines Festhauses von jenen Hundert-
tausend, die jährlich durch diese Räume fluten.
Was vom Geschmackwandel der Generationen,
denen dieses Haus als wertvolles Geschenk
überlassen bleibt? Nichts als dies: daß es
seine Aufgabe ist, der künstlerischen Tendenz
seines Jahrhunderts, wie er sie erkenntnismäßig
und intuitiv verstanden hat, in edelster und
vertiefter Eigenprägung nachzugehen.

Diese Überzeitlichkeit schuf den Stil des
Hauses. Und Emil Fahrenkamp hat mit ihm
die klare Schönheit seines zeitgenössischen Ge-
staltens zu einer kommenden Gültigkeit er-
hoben. Zweifellos ist und bleibt es bei aller
Typik ein individuelles Glaubensbekenntnis des
Künstlers: so sehe ich die Zeit und ihren Stil.
Aber keiner aufmerksamen Betrachtung wird
es entgehen, wie hier alle individuellen Mög-
lichkeiten und bizarren Eigenwilligkeiten in die
geistige und klare Gesetzmäßigkeit allgemeinen
Empfindens einmünden. Wie hier persönliche
Idee und Gestaltungswillkür Kunstkanon ge-
worden ist, aufgebaut auf die unbestechlichen
Fundamente der Materialgerechtigkeit und der
Zwecksinnigkeit. Das Ergebnis — „ein Werk
edelster Selbstverständlichkeit."
 
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