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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Zak, Eugène: Zeichnungen von Berthe Martinie
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0236

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ZEICHNUNGEN VON BERTHE MARTINIE

Schon seit Jahren kennt man die bemerkens-
werten zeichnerischen Qualitäten der Ar-
beiten von Berthe Martinie. Aber zu einer Aus-
drucksform, die dem vollen Umfang ihrer Be-
gabung entsprochen hätte, war sie noch nicht
gelangt. Sie versuchte sich auf allen Gebieten:
Komposition, Akt, Porträt, Stilleben, und in
allen Verfahren: Öl, Tempera, Pastell, Aquarell,
selbst in der Miniatur. Aus diesen in verschie-
denen Richtungen vorfühlenden Versuchen ha-
ben sich Werke von interessanter Vielseitigkeit
der Inspiration ergeben, die aber noch keine volle
Entfaltung dieses Künstlerwesens bedeuteten
Schon ihre Tanzzeichnungen hatten eine sel-
tene Befähigung zur Wiedergabe der Bewegung
verraten. Als sie eines Tages aus Neu- und Schau-
begierde den Pariser Pferdemarkt von Vaugirard
besuchte, begriff sie sofort, daß sich ihr da ein
neues Gebiet eröffnete. Das Tier, und beson-
ders das Pferd in der Bewegung, das bedeutet
Schönheit, die Leben bekommen hat. Trotz des
Baudelaire'schen Wortes „Ich hasse die Be-
wegung, die die Linien verschiebt", drückt sich
die Schönheit des Tieres am klarsten in der
Bewegung aus; da erst erscheint sie in allen
ihren Aspekten und Beziehungen. Hier also
fand Berthe Martinie endlich Gelegenheit, ihre
Fähigkeiten zu offenbaren. Das Leben selbst

war es, das ihr da unmittelbar entgegentrat. In
ihren Sepiazeichnungen stellte sie dieses Leben
mit einer Leidenschaft dar, in der die schönsten
Akzente der Romantik wieder aufleben.

Romantisch ist schon das Motiv an sich in-
folge der gegensatzreichen Buntheit seines Schau-
spiels. Aber außerdem muß auch der Künstler
diesem paradoxen Zusammensein von Tieren
und Menschen eine Note geben, die seinen
Charakter kräftig betont und seine Einheit klar-
stellt. Dazu genügt das rein malerische Element
nicht. Was man Berthe Martinies „Romantizis-
mus" genannt hat, ist etwas vielfach Zusammen-
gesetztes und stammt eher aus einer „Schau"
als einem bloßen „Sehen" der Dinge. Die In-
tensität des Ausdrucks gesellt diese Künstlerin
zu den Romantikern aller Länder. Andrerseits
gewinnt sie durch die Phantasie ihrer Beobach-
tung, durch die Fähigkeit, jedem Wesen — sei
es selbst verwahrlost oder ungeschlacht — ein
formales Interesse und eine Note der Eleganz
abzugewinnen, Beziehung zu Constantin Guys.

Wohlverstanden lehnt sich Berthe Martinie
weder an den genannten, noch an einen andern
Künstler an. Sie behauptet ihre Selbständig-
keit, obgleich sie sich in die ihr zugehörige, gei-
stige Familie einreiht. Während Horace Vernet,
Gros, Gericault, Delacroix fast ausschließlich
 
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