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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Schürer, Oskar: Zu den Arbeiten von Ladislav Beneš, [2]
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ZU DEN ARBEITEN VON LADISLAV BENES

(FORTSETZUNG VON SEITE 227)

Dies Wissen braucht uns nun gar nicht in den
sentimental-romantischen Ruf einstimmen
zu lassen: Zurück zum Handwerk. Nein, Ent-
wicklungen macht man nicht rückgängig. Und in-
nerhalb unserer Kulturentwicklung hat sich nun
einmal — entsprechend einer tieferen Wesens-
gesetzlichkeit — die Kunstübung von der hand-
werklichen gelöst. Nein, keine Romantizismen!
Aber Einblicke! Deren gibt uns dieser Tatbe-
stand zwei. Den einen in die starke Verbun-
denheit aller früheren Bildhauerei mit der Ar-
chitektur. Ihm wollen wir hier nicht nachgehen.
Den andern von der Entwicklung der autono-
men Bildhauerei aus dem Handwerklich-Deko-
rativen. Und hier packt man die Wurzeln dieser
Kunst. Was uns aus dem Hüttenbetrieb des
Mittelalters z. B. deutlich wird, ist eben dieses
fast unerwartete Herausspringen der Monu-
mentalplastik aus der dekorativen Plastik, dies
Hinaufwachsen aus zweckbedingter Ornamen-
tier auf gäbe zu unbedingter Ornamentierlust
und gar zur Bildhauerei. Aus übersprudeln-
der Dekorationsfreude schürft sich die Plastik
hinauf zur selbstgenügsamen Fülle der Skulptur,
die nun ihrerseits die dekorativen Züge adeln
muß zu monumentaler Gesetzlichkeit.

Warum solche Retrospektiven? Hier soll
doch ein Lebendiger gewürdigt, sein Werk durch
einige Daten erläutert werden. Wertvergleiche
sollen beileibe nicht herausgefordert werden.
Nur im geziemenden Abstand Art vergleiche.
Sie gelten auch am kleineren Maßstab dieser
Kunst, ja sie legitimieren sie. Wir zogen solche
Perspektiven, weil wir auch des Bildhauers
Benes Werk nur ganz verstehen — in seinen
Vorzügen und Schwächen, — wenn wir jenes
Prozesses der Formbildung aus dem Dekorativen
uns bewußt sind und von ihm aus werten.

Ladislav Benes begann als Schüler der Kunst-
gewerbeschule in Prag. Seine Arbeit galt dem
Ornament. Stukkateurarbeit im neubelebten
Sinn des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts.
Bildhauerische, skulpturale Schulung ging ne-
benher. Absicht war die Dekoration. Und diese
Absicht war klug aus der Erkenntnis der Be-
gabung erwachsen. Da gelangen um 1908 erste
reinskulpturale Versuche: kleine Porträtbüsten.
Von da ab entfaltete sich dieser Zug. Der Krieg
unterbrach. Seitdem arbeitet Benes eifrig in
den freiplastischen Versuchen weiter. Doch nicht

nur stets mit dem Einschlag des Dekorativen,
sondern immer auch mit einem breiten Unterbau
dekorativer Studien und Stücke. Und hier ge-
winnt man den Standpunkt, der diesen Arbeiten
gerecht wird. Man hat Benes keineswegs als
Monumentalplastiker zu sehen, — wie unrecht
tut man ihm so! — Doch auch nicht mehr als De-
korationsplastiker allein. Seine Arbeiten sind
ein Übergang von diesem zu jenem, ein unbe-
kümmertes Ausschwingen einer Begabung, die
vielleicht mehr zum ersten neigt, der aber mit-
unter — wie unvorhergesehen — ruhige, skulp-
turale Leistungen gelingen. Im Kopfstück zu-
meist. Die geschlossene Form des Vorbilds
mahnt zu eigengesetzlicher Formung.

Solch dekorativer Grundton eines Schaffens
reizt zu vielfältiger und leichter Produktion. So
würde man den Leistungen gar nicht gerecht,
legte man an sie stets den Maßstab strenggebilde-
ter Skulpturen. Man nehme die leichtsprudelnde
Fülle, — die auch noch in Zeichnungen und
Skizzen üppig weitertreibt, — als leichte Gaben
eines dekorativen Talents, und freue sich un-
beschwert der einigen schönen Stücke reiferer
Künstlerschaft, die aus dem Strom manchmal
auftauchen. In diesem Sinne dürfte auch das
Schaffen Benes selbst die richtige Bahn inne-
halten: im klaren Bewußtsein, daß er die not-
wendige Scheidung zwischem dekorativem und
skulpturalem Schaffen dem Instinkte überlassen
soll. Dann aber, wenn dieser spricht, peinlich
folgen und alle Vermischung zwischen beiden
meiden muß.

Noch ein Wort über die Bewegung in Benes
Figuren. Dem Slaven scheint plastisches Emp-
finden schwer zu fallen. Das bezeichnet alle
tschechische Bildhauerei. Man muß entweder
auf strengem klassizistischen Kothurn einher-
gehen wie Myslbeck, oder so glücklich von der
Natur begabt sein wie Stursa, um diesen musi-
kalischen, zur Bewegung treibenden und der
Plastik im Grunde feindlichen Hang zu kompen-
sieren. In Benes treibt er ein loses Spiel. Aber
hier geht er ein in den dekorativen Grundzug
dieses Wesens. Und was der eigentlichen Pla-
stik höchste Gefahr wäre, — hier bringt es
einen liebenswürdigen Reiz in die Figur. Daß
es sie zugleich wieder ins Kunstgewerbliche
zurückbiegt, das macht die Grenze dieser Be-
gabung aUS..........DR. OSKAR SCHÜRER
 
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