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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Breuer, Robert: Peter Jessen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0285

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PETER JESSEN f

VON ROBERT BREUICR

Nach einem Leben reich an Arbeit und Er-
folg ist Peter Jessen gestorben. Eine Per-
sönlichkeit von umfassendem Einfluß ist dahin-
gegangen ; ein Werk von ungewöhnlichem Aus-
maß ist geblieben. Dieser Kunstgelehrte, der
dem Bedürfnis des schlichtesten Handwerkers
gerecht wurde, dieser Kenner der Werkstätten,
dem jeder Handgriff ein Wirken an der leben-
digen Form und damit an Deutschlands und der
Deutschen Charakter und Geltung war, dieser
empfindungsstarke Künstler, der jedes Erlebnis
seinem Volke freigebig vermitteln wollte, dieser
Erzieher, dessen Worte nicht Abstraktion blie-
ben, vielmehr Erweckung der Sinne und Be-
reicherung der Hand erzielten: Peter Jessen war
ein Stück Geschichte der Künste und des Hand-
werks, des vom Ballast dumpfer Gewöhnung
befreiten Geschmacks und des aus werktätigem
Leben wachsenden Stils. Er war ein Stück des
jungen Deutschlands. Er war einer der Führer
aus der Not des „billig aber schlecht" auf das

für uns einzig mögliche Produklionsniveau der
Qualität. Er war ein nüchterner Prophet des
neuen Ausdrucks und ein begeisterter Praktiker,
dem kein Stand zu gering und kein Beruf zu
belanglos erschien, um nicht mitbauen zu müs-
sen an der Aufrichtung eines wohnlichen und
schönen Hauses, einer Kultur für alle.

Peter Jessen hat die stürmische Entwicklung
von dem historischen Eifer der siebziger Nach-
kriegs- und Siegesjahre bis zum Erwachen aus
dem romantischen Traum, er hat den rührenden
Irrtum des Jugendstils, den Radikalismus des
Zweckmäßigkeitsdogmas, er hat die Zeit der
Apostel von Morris und Walter Crane bis zu
Van de Velde, Paul und Behrens mitgemacht.
Er wurde berannt vom Aufstand der im Ornament
und in der Quaste bedrohten Subalternen; er
stand fest in den Wirbeln der Extreme. Bewußt
ging Peter Jessen den Weg der Mitte, erkennend,
daß alle Architektur ein Ausgleich ist zwischen
Schöpfer und Verbraucher, zwischen Rück-

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