PROF. L. BERNHARD
»Ars DEM EXTKKK«
ORDNUNG IM KUNSTWERK
In den Tagebüchern Delacroix' findet sich
eine Stelle, in der der Maler, der es liebte,
fortwährend Vergleiche mit den andern Künsten
anzustellen, sagt: „Ein Ausspruch Talmas, der
mir berichtet worden, erklärt recht gut, welche
Art Inspiration der Schauspieler braucht, und
zugleich wie er sich beherrschen muß. Er be-
hauptete, auf der Bühne völlig Herr über seine
Inspiration zu sein, sich kritisieren zu können
und dabei ganz den Anschein zu erwecken, als
gäbe er sich völlig hin." Dieser Ausspruch hat
eine sehr ernsthafte Bedeutung. Er besagt natür-
lich nichts weniger, als daß die Schauspielkunst
in der möglichst vollkommenen Illusion bestände;
wohl aber, daß ein von der Bühne herab er-
greifender Ausdruck nur durch die stärkste Zucht
des Schauspielers, durch die äußerst geklärte
Durchgestaltung der Empfindung zustandkom-
men könne. Das gilt grundsätzlich auch für die
Werke der bildenden Kunst. Nichts ist dem
Maler und Bildhauer weniger erlaubt, als die
Vorstellungen und Gesichte, von denen er erfüllt
ist, ungeprüft, ungeordnet hinauszulassen. Wir
haben im Expressionismus das Beispiel gehabt,
wie das ungehindert ausgebrochene Chaos der
malerischen und plastischen Ideen sich als Ge-
stalt und Werk geberdete, wie der Überschwang
produktiv wurde, wie sich die Ekstase als Form
drapierte. Dagegen steht heute als nachdrück-
lichste Forderung an den Künstler, daß er sich
in Zucht nehme, daß er sein Gesicht ordne, daß
er Herr über seine Inspiration sei, daß mit der
Größe der ihn anfallenden Vision auch sein
Widerstand gegen sie wachse, indem er nicht
rastet und ruht, bis sie zur Form gebändigt, zur
Wirklichkeit reif geworden ist. Es kommt heute
garnicht darauf an, daß einer uns zeigt, wie voll
von Musik seine Seele ist; wohl aber darauf,
daß er aus dieser Fülle einen klar gebauten,
klingenden und geformten Satz an unser Ohr
tönen läßt. Stärker als je gilt heute die Forderung,
daß Ordnung im Kunstwerk sei, daß es im Geist
ausgetragen und wohlgebildet sei. Der unbe-
herrschte, nur seelisch entflammte Künstler hat
gar keine Aufgabe in dieser Zeit. Ein Wellbild
zu haben, ist jedem Menschen gegeben; erst
wer es zur Weltgestaltung zu ordnen vermag,
kann zu den Künstlern gerechnet werden, k. h. r.
»Ars DEM EXTKKK«
ORDNUNG IM KUNSTWERK
In den Tagebüchern Delacroix' findet sich
eine Stelle, in der der Maler, der es liebte,
fortwährend Vergleiche mit den andern Künsten
anzustellen, sagt: „Ein Ausspruch Talmas, der
mir berichtet worden, erklärt recht gut, welche
Art Inspiration der Schauspieler braucht, und
zugleich wie er sich beherrschen muß. Er be-
hauptete, auf der Bühne völlig Herr über seine
Inspiration zu sein, sich kritisieren zu können
und dabei ganz den Anschein zu erwecken, als
gäbe er sich völlig hin." Dieser Ausspruch hat
eine sehr ernsthafte Bedeutung. Er besagt natür-
lich nichts weniger, als daß die Schauspielkunst
in der möglichst vollkommenen Illusion bestände;
wohl aber, daß ein von der Bühne herab er-
greifender Ausdruck nur durch die stärkste Zucht
des Schauspielers, durch die äußerst geklärte
Durchgestaltung der Empfindung zustandkom-
men könne. Das gilt grundsätzlich auch für die
Werke der bildenden Kunst. Nichts ist dem
Maler und Bildhauer weniger erlaubt, als die
Vorstellungen und Gesichte, von denen er erfüllt
ist, ungeprüft, ungeordnet hinauszulassen. Wir
haben im Expressionismus das Beispiel gehabt,
wie das ungehindert ausgebrochene Chaos der
malerischen und plastischen Ideen sich als Ge-
stalt und Werk geberdete, wie der Überschwang
produktiv wurde, wie sich die Ekstase als Form
drapierte. Dagegen steht heute als nachdrück-
lichste Forderung an den Künstler, daß er sich
in Zucht nehme, daß er sein Gesicht ordne, daß
er Herr über seine Inspiration sei, daß mit der
Größe der ihn anfallenden Vision auch sein
Widerstand gegen sie wachse, indem er nicht
rastet und ruht, bis sie zur Form gebändigt, zur
Wirklichkeit reif geworden ist. Es kommt heute
garnicht darauf an, daß einer uns zeigt, wie voll
von Musik seine Seele ist; wohl aber darauf,
daß er aus dieser Fülle einen klar gebauten,
klingenden und geformten Satz an unser Ohr
tönen läßt. Stärker als je gilt heute die Forderung,
daß Ordnung im Kunstwerk sei, daß es im Geist
ausgetragen und wohlgebildet sei. Der unbe-
herrschte, nur seelisch entflammte Künstler hat
gar keine Aufgabe in dieser Zeit. Ein Wellbild
zu haben, ist jedem Menschen gegeben; erst
wer es zur Weltgestaltung zu ordnen vermag,
kann zu den Künstlern gerechnet werden, k. h. r.