Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

DOI Artikel:
Bertelsson, Alexander: Vom Quellpunkt bildnerischen Schaffens
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0097

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
RICHARD SKKWALD

■*>STILLEBEN MIT FISCHEN«

VOM QUELLPUNKT BILDNERISCHEN SCHAFFENS

VON MALER A. BERTELSSON—DRESDEN

Wenn die Philosophie mit Überheblichkeit
feststellt: „Es ist möglich ohne Sprache
zu sehen, die Dinge anzustarren, auch über sie
zu träumen; auch ohne Worte können selbst so
einfache Vorstellungen wie Schwarz und Weiß
nicht realisiert werden" — so kennzeichnet
sich dadurch ein weit verbreiteter Irrtum.

Es ist selbstverständlich, daß der Gesichts-
sinn allein nicht zur Realisierung der aller-
primitivsten Gesichtsvorstellungen führen kann.
Ein großer Irrtum jedoch zu glauben, daß der
Mensch im Wort ein ausreichendes Mittel ge-
funden hätte, die Vorstellung von der Welt des
Sichtbaren zu realisieren. Schon die Vorstellung,
um bei dem Beispiel zu bleiben, von Schwarz
und Weiß ist imaginärer Natur, weil es ein
Schwarz und ein Weiß schlechthin garnicht
gibt. Verständlicher wird der Irrtum noch bei
Vorstellungen von Farben, wie beispielsweise
grün, blau usw. Diese Vorstellungen sind durch

Worte unrealisierbar — realisierbar nur durch
die Tätigkeit des anschaulichen Nachbildens.

Kein Zweifel, daß der Ursprung aller bild-
nerischen Tätigkeit in dem Suchen des Menschen
nach vollkommeneren Mitteln liegt, als er sie in
Wort und Sprache gefunden hat. Aber die Ver-
suche, das Sichtbare nachzubilden, haben schon
sehr früh in der Erkenntnis des Unausschöpf-
baren der Realität ihren Ausdruck gefunden.
Schon die alten Meister wußten, daß die latent
gebundene Innerlichkeit des Menschen, die sich
zwischen die nachzubildende Welt drängt, das
objektive Weltbild zerstören muß. Die Hinaus-
stellung des geistigen Raumes im Bildwerk voll-
zog sich immer dort, wo eine bedeutsame Kunst-
tätigkeit sich äußerte. So ist das, was sein will,
nur in der individuellen Erscheinung möglich. So
wird zur Voraussetzung der bildnerischen Tätig-
keit die individuelle, geistige Konzepierung der
Totalität des Menschlichen, der Erscheinungen.

XXrx. Mai 1826. 2
 
Annotationen