Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

DOI Artikel:
Schiebelhuth, Hans: Ironie und Sachlichkeit
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0028

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ironie und Sachlichkeit

schon seit 1400 vorgearbeitet war, tritt die
zweite Form der Ironie auf, die vitale. Die
Vernunft wird innerhalb des Denkens von der
sinnlich-sachlichen Geschöpflichkeit her ironi-
siert. Die Philosophie steht in einem Zwielicht
der Ironien. Der Geist wird vom Geschöpf
aus gedacht (Goethes Natur), das Geschöpf wird
von der Vernunft her begriffen (Kants Kritik).
Solche Gleichzeitigkeiten mehren sich. In der
zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts kommt
der Rationalismus zur absoluten Gestalt, der
Maschine; der Vitalismus hat seinen mächtig-
sten Fürsprecher in Nietzsche.

In unseren Tagen folgt die Auflösung des
physikalischen Weltbestands durch die moderne
Naturwissenschaft; dem entgegen setzt sich im
pragmatischen Denken die „Phänomenologie",
in der Kunst die Forderung nach „neuer Sach-
lichkeit", der Anspruch, die sinnlich objektive
Welt als Gestalt bannen zu wollen.........

Die Forderung nach rational objektiver
Sachlichkeit haben wir unter dem Banner des
Expressionismus als Teil- oder Begleiterschei-
nungen miterlebt (abstrakte Kunst, Konstruk-
tivismus). Der Einbruch von dieser Seite her
ist mißglückt. Die Gegenforderung nach sinn-
licher Sachlichkeit zeigt zunächst nur die
Nüchternheit des Zeitgewissens an. Ihr wird
wohl die Zukunft gehören, weil sie aus der
ständig erstarkenden Tendenz zum Vitalismus
gestützt auftritt. Eine absolute Sachlichkeit
würde die beiden Ironien und die Ironie über-
haupt, die Wollung, den Argwohn zu überwin-
den haben, sie hätte in un-dualistischem Ein-
vernehmen mit Vernunft und Geschöpflichkeit
zu stehen, sie würde Welt und Leben wieder
unmittelbar anschauen; so würde durch sie
alle Gestalt ironielos, unschuldig, als reine
Vorstellung erfaßt werden, das heißt wieder
Mythus sein..........h.schiebelhuth.
 
Annotationen