Aus Max Laeugers Werkstatt
PROFESSOR MAX LAEUGER—KARLSRUHE
sieht. Es ist fast komisch, wie Laeuger die Lei-
ber, Beine und Arme seiner Elfen, Nymphen,
Ledas und Marien, seiner Parsifals, Buddhas und
Fabelwesen macht: halb, manchmal ganz ent-
stehen sie von selbst wie die Welle, die Figur
einer Wasserkunst. Und darin liegt ihr uner-
schöpflicher Reiz für den phantasiebegabten Be-
schauer, das erste Geheimnis der Laeuger'schen
Kunst. Der stumpfe, nur der naturalistischen
Photographie zugängliche Geist des Kitsch-
menschen wird daher niemals auch nur das
geringste von Laeuger's Kunst erfassen, ge-
schweige ästhetischen Genuß von dem Besitze
seiner Werke haben können.
Das zweite Geheimnis: Die Farbe, die Gla-
sur. Hier beginnt die List des Erfinders, des Al-
chimisten Laeuger. Ich sah sein Auge im Düster
des Refektoriums unter seinem Atelier von der
Flamme der Muffeln beflackert und wußte ge-
nug, um zu begreifen: Es gibt nur einen ein-
zigen Weg zum Geheimnis der Perser. Es gibt
in dieser Technik keine Wiederholung. Alle
„reproduzierbare keramische Kunst" ist ein
Widerspruch in sich selbst; denn selbst sein
MAJOLIKAPLASTIKEN AUF PUTZGRUND«
eigener Schöpfer vermag das echte keramische
Kunstwerk kein zweites Mal hervorzubringen.
„Intuition des Feuers" — anders könnte ich
es kaum nennen. „Intuition am Ofen" — Ge-
danke, Idee im sicheren Gefühl für die Wirkung
des Feuers: Auge in Auge mit dem Dämon.
Ich weiß, daß Laeuger niemals etwas aus seinem
Ofen hervorzog, was ihn nicht selbst am meisten
überrascht hätte. Er schwörtauf den „Zufall".
Und doch weiß ich, daß dieser Zufall eben die
geheime Kraft ist, der jeder geborene Künstler
das Letzte seiner Kunst verdankt: Die Gewalt
über den fruchtbaren Moment.
Laeuger ist Pyrochemiker, ohne es zu wissen.
Er ahnt Dinge, die andere für unmöglich hal-
ten — Fachleute, „Wissende" der Keramik.
Wie ein Kind greift er zu den keramisch „un-
möglichen" Glasuren, Engoben, Farben, ver-
sucht sie, belauscht sie, verdirbt sie in der
schändlichsten Weise durch den Brand, durch
denRauch,durch „falsche Versätze", „verrückte
Chemikalien", — und: entdeckt Neues!
Dem Techniker der Keramik läuft es kalt
über den Rücken bei Laeuger's Experimenten.
PROFESSOR MAX LAEUGER—KARLSRUHE
sieht. Es ist fast komisch, wie Laeuger die Lei-
ber, Beine und Arme seiner Elfen, Nymphen,
Ledas und Marien, seiner Parsifals, Buddhas und
Fabelwesen macht: halb, manchmal ganz ent-
stehen sie von selbst wie die Welle, die Figur
einer Wasserkunst. Und darin liegt ihr uner-
schöpflicher Reiz für den phantasiebegabten Be-
schauer, das erste Geheimnis der Laeuger'schen
Kunst. Der stumpfe, nur der naturalistischen
Photographie zugängliche Geist des Kitsch-
menschen wird daher niemals auch nur das
geringste von Laeuger's Kunst erfassen, ge-
schweige ästhetischen Genuß von dem Besitze
seiner Werke haben können.
Das zweite Geheimnis: Die Farbe, die Gla-
sur. Hier beginnt die List des Erfinders, des Al-
chimisten Laeuger. Ich sah sein Auge im Düster
des Refektoriums unter seinem Atelier von der
Flamme der Muffeln beflackert und wußte ge-
nug, um zu begreifen: Es gibt nur einen ein-
zigen Weg zum Geheimnis der Perser. Es gibt
in dieser Technik keine Wiederholung. Alle
„reproduzierbare keramische Kunst" ist ein
Widerspruch in sich selbst; denn selbst sein
MAJOLIKAPLASTIKEN AUF PUTZGRUND«
eigener Schöpfer vermag das echte keramische
Kunstwerk kein zweites Mal hervorzubringen.
„Intuition des Feuers" — anders könnte ich
es kaum nennen. „Intuition am Ofen" — Ge-
danke, Idee im sicheren Gefühl für die Wirkung
des Feuers: Auge in Auge mit dem Dämon.
Ich weiß, daß Laeuger niemals etwas aus seinem
Ofen hervorzog, was ihn nicht selbst am meisten
überrascht hätte. Er schwörtauf den „Zufall".
Und doch weiß ich, daß dieser Zufall eben die
geheime Kraft ist, der jeder geborene Künstler
das Letzte seiner Kunst verdankt: Die Gewalt
über den fruchtbaren Moment.
Laeuger ist Pyrochemiker, ohne es zu wissen.
Er ahnt Dinge, die andere für unmöglich hal-
ten — Fachleute, „Wissende" der Keramik.
Wie ein Kind greift er zu den keramisch „un-
möglichen" Glasuren, Engoben, Farben, ver-
sucht sie, belauscht sie, verdirbt sie in der
schändlichsten Weise durch den Brand, durch
denRauch,durch „falsche Versätze", „verrückte
Chemikalien", — und: entdeckt Neues!
Dem Techniker der Keramik läuft es kalt
über den Rücken bei Laeuger's Experimenten.