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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Michel, Wilhelm: Neue Keramik von Dina Kuhn - Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0141

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DINA KUHN—WIEN

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NEUE KERAMIK VON DINA KUHN-WIEN

Was die Arbeit des Keramikers von der
des Bildhauers unterscheidet, die Ver-
einigung des plastischen mit dem malerischen
Element, des figuralen mit dem farbigen, führt
diesen Kunstzweig notwendig zum Barock. Das
mannigfaltige und scheinbar wie zufällig ent-
standene Spiel des Farbenflusses zwingt der
Figur eine reiche, betontere Ornamentik auf.
Plastik und Keramik, so nahe verwandt, sind
im Wesen absolut gegensätzlich. Eine gute
Plastik wird nie auch eine gute Keramik sein,
denn die Glasur bringt Lichter hervor, die den
Bildhauer rasend machen würden.

Die aus der „Bimini"-Werkstatt hervorge-
gangenen keramischen Arbeiten der Wiener
Künstlerin Dina Kuhn zeigen die Freude an der
spielerischen Art dieses Handwerks, verbunden
mit dem Ernst eines starken, bewußten Kunst-
willens. Die Möglichkeiten des Handwerks
sind aufs mannigfaltigste variiert, Experimente
und Orgiasmen, wie sie gerade auf keramischem
Gebiete nicht selten sind, hat die Künstlerin
mit Glück zu vermeiden gewußt. Ihre eigen-
willige Begabung, ihr sicheres, in der Tradition
wurzelndes Können wird dem Material immer
in der anmutigsten Weise gerecht. Unter den

keramischen Künstlern der Zeit nimmt Dina
Kuhn zweifellos einen ersten Platz ein.

Freilich: noch ist auf Wiener Boden hand-
werkliche Kultur nicht ganz verschüttet und
immer noch wird dem Talent hier starke An-
regung gegeben. Denn wohin auch die Ent-
wicklung der Kunst immer führen mag, der
Versuch, ein traditionsloses Kunsthandwerk
zu schaffen, ist närrisch; wie es auch völlig sinn-
los ist, Vater und Mutter zu verleugnen. Das
Produkt solcher Versuche ist jämmerlich genug.
*

ANFORDERUNG DES VERSTANDES

Je inkommensurabler", sagt Goethe, „und
für den Verstand unfaßlicher eine poetische
Produktion, desto besser". In ähnlichem Sinne
spricht sich auch Hebbel aus: „Wehe dem Dich-
ter, dessen Werk man im gemeinen Verstände
kapieren kann! Er ist entweder nichts oder
hat wenigstens nichts gemacht."

Die Einsicht, die in diesen Aussprüchen liegt,
darf heute als geläufig vorausgesetzt werden.
Das Kunstwerk wendet sich als Gesamtwesen
nicht an den Verstand, sondern an das ganze
Gemüt des Menschen. Seine Wirkung ist mehr
 
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