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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Steinhausen, Wilhelm: Die Abhängigkeit der Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0163

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DIE ABHÄNGIGKEIT DER BILDER

Viel zu wenig ist man sich bewußt, wie ab-
hängig unser Urteil über Bilder von tausend
Dingen ist, die eigentlich das Bildwerk nichts
angehen sollten. Es verlangt eine unmittelbare
Wirkung: der Künstler hat es zu einem selb-
ständigen Wesen geschaffen; und doch kann er
es nicht hindern, daß tausend andere Dinge,
ach, und so viel feindliche, mitreden wollen.
Töne und Worte sind selbstherrlicher, sie dürfen
sich selbst vertrauen in der kurzen Spanne ihrer
Wirkung. Aber die Bilder ändern ihr Aussehen
mit dem Beschauer und mit ihrer Umgebung,
und was ihr Vorzug ist, die Dauer, wird ihr
Schaden. Sie leiden unter der Zeit ebenso, wie
sie von ihr Vorteil haben. Wie einfältig ist es
allein, daß sie von der Farbe der Wände, an
denen sie hängen, beeinflußt werden, der Farbe,
die so oft die Mode des Tages bestimmt. Ich
sah aber auch, wie das Sonnenlicht, das durch
den Vorhang schien und die Bilder traf, ihnen
einen Reiz gab, den sie für gewöhnlich nicht
hatten. Und welchen Reiz kann ihnen nicht die
Dämmerung und ihre Schatten geben. Aber
noch mehr, wie wechseln die Hintergründe un-
serer Seele, auf die wir die Außengegenstände
durch die Camera magica unsrer Augen proji-

ziert sehen! Sind wir milde, im Frieden mit
uns und der Welt, — werden wir nicht auch
gütig zu den Bildern sein? Bewegen uns die
Leidenschaften und die Kämpfe in uns und
draußen, — werden wir nicht die Bilder und
ihre Umgebung gleichsam in Rot getaucht sehen
oder in ein dumpfes schwüles Blau oder in ein
flackerndes Farbenspiel? Wie anders, wenn
die Kunstforschung, mit Entwicklungsreihen
operierend, oder oft mit dürren ästhetischen
Theorien uns die Wände bespannt! Und die
graue Nüchternheit und die geschäftliche Spe-
kulation ! wilh. steinhausen. »aus meinem leben«
herausgegeben von a. paquet. furche verl., berlin.


Man muß beachten, daß der Gegenstand al-
lein nie wirkt, sondern immer die Situation,
denn der einfachste Gegenstand im Stilleben ist
in irgendwelchem Verhältnis zur Umgebung. In
diesem Verhältnis ist immer ein Bruchstück der
ganzen Welt. Das Stück Licht, welches an einem
Gegenstand haftet, wirkt nach den ewigen Ge-
setzen, die es im Weltall leiten. Und diese Be-
ziehung zum Ganzen drückt dem Einzelnen eine
Bedeutung auf, und der Beschauer, sie ahnend,
fühlt sich von ihm berührt. Wilhelm steinhausen
 
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