SKULPTUREN DES ZEUSTEMPELS ZU OLYMPIA
VON DR. OSKAR SCHÜRER.
Man zögert, angesichts der großen Anony-
mität des olympischen Heiligtums hinzu-
weisen auf persönliche Leistung des Vermitt-
lers. Man zögert — liegt aller Wert solcher
Wieder-Gabe nicht im ganz unpersönlichen
Dienst an einstiger Tat, muß alle persönliche
Einstellung nicht abgestreift werden, um den
Geist umso reiner wieder auferstehen zu lassen,
der da schuf — unangetastet von heutigem
Empfinden, ganz seinem einstigen Ausdruck
gelassen, als ein Fremdes verehrt. Ist persön-
liche Wiedergabe nicht Frevel!
Ja — und damit fassen wir den tiefsten Wert
dieser neuen Olympiabilder. Hier nämlich
scheint uns jene letzte Forderung erfüllt, die
wir an alle Reproduktion zu stellen haben:
restlose Hingabe an die Sache, — so restlos,
daß aus solcher Askese schon wieder persön-
licher Wert heraustreibt: Wert einer im Dienste
wachsenden Gestalt. Sodaß man also doch
wieder Namen mit Werk verknüpfen muß, um
das Ganze der Leistung zu nennen.
Und erst so erfassen wir das heute Wichtige
dieses Bilderwerks, seinen Charakter als einer
neuen Entdeckung jener dem Gott und der
Kunst geweihten Stätte in Hellas. Entdeckungs-
fahrten ins Unbekannte treiben hinaus in die
Erweiterung unseres Weltbilds. Entdeckungs-
fahrten ins Altbekannte treiben hinein in die
Erinnernis unseres Weltgefühls. Das ist die Tat
Richard Hamanns. Er fügt zu den zahlrei-
chen Entdeckungen der Antike, die dem Bild
unseres abendländischen Kunstempfindens die
Physiognomie geben, eine neue, die heutige
hinzu. Und wirklich — sie ist mehr als neue
Ausgrabung unbekannter Schätze. Altvertraute
läßt sie vor uns in neuer Gestalt erstehen. Um-
wertung alter Werte zu heutigster Bedeutung.
Und mit heutigsten Mitteln. Expedition mit
der Kamera ins alte Hellas — das ist Hamanns
Methode. Erforschung mit heutigem Sachlich-
keitsgefühl — das ist Hamanns Geist. Aus
kluger Ineinanderarbeit beider sind diese Tafeln
erstanden, die zur Mappe gefügt eine alte Welt
mit ganz neuen Impulsen unserm Bewußtsein
einfügen.
Diese großen Blätter betrachten ist wie ein
Wandeln durch Räume, wie ein Hindurchgleiten
durch mächtige Körpergefühle vielfältigsten
Atems. Sie zwingen, sich einzufügen in Stel-
lung, Lagerung, Geste, — wuchten in uns hinein
mit der ganzen Schwere des Materials, schwer-
körnigen Marmors der Adriainseln, erschüttern
uns wie mit der Wucht des straffen Meißel-
schlags. Plastik — man spürt sie mit der ganzen
Intensität ihrer Volumina, sie beult und stößt
heraus aus der Fläche der Tafel, treibt in den
schwarzen Grund hinein, und saugt aus ihm doch
alle Raumgewalten hervor, um sich mit ihnen
zu überspülen wie mit dunkelnden Wellen.
Schon dies, daß hier nicht kalte Helle vor toten
Grund gestellt ist, wie sonst meist in Aufnah-
men antiker Skulpturen, — es reißt das pla-
stische Leben voll hinein in diese notwendig
auf die Fläche gezwungenen Körper. Da aber
beginnt nun die eigentliche Kunst der Kamera.
Die Art, wie die Achsenbeziehungen erlauscht,
vom Räumlichen in die Fläche entsprechend
transponiert sind, — sie treibt diese Wieder-
gaben in ihre reife plastische Sichtbarkeit. Da-
bei trifft es sich glücklich, daß hier in Olympia
die Kunst des Marmormeisters jener des Photo-
graphen entgegenkommt. Der Olympiameister
baut seine Körper ein in grandiose Flächen. Er
schichtet und schiebt, drängt vor und verspannt,
deutet gewagteste Raumkonflikte immer mei-
sterlicher — je weiter er an seinem eigenen
Werk vom Ostgiebel über die Ost- und West-
metopen zum Westgiebel vordringt — durch
ruhige Flächenbegrenzungen aus, die das stets
zu Grunde liegende Achsenkreuz der Volumina
wie in heimlichem Magnetismus bestimmt. An
diese Flächenorganisation nun konnte der der
Fläche verhaftete Photograph ansetzen. Ihr
entsprechend wählt er Winkel und Distanz,
aus ihren Schichtungen holt er sich den Reich-
tum seiner Gliederung und kommt so auf dem
Umweg über des Plastikers sekundäres Mittel,
das sein primäres ist, in der Konsequenz der
Wirkung doch zum wahrhaftigen Abbild des
ursprünglichen Bestands, — jener Welt, die
zwischen Archaik und Parthenon die Blüte grie-
chischen Bildnergeistes darstellt.
Ernst Buschor, der Leiter des deutschen
archäologischen Instituts in Athen, hat den Text-
band zu dieser wertvollen Mappe geschrieben.
Nicht Folge der heroischen Perserkriege ist diese
Kunst, sondern umgekehrt — die Perserkriege
mußten erstehen aus dem heroischen Geist, der
solche Bildnerträume in sich barg, aus sich ge-
bar; mußten erstehen als sein äußeres ihm ge-
mäßes Schicksal. Reiche Bildbeigaben aus Vor-
VON DR. OSKAR SCHÜRER.
Man zögert, angesichts der großen Anony-
mität des olympischen Heiligtums hinzu-
weisen auf persönliche Leistung des Vermitt-
lers. Man zögert — liegt aller Wert solcher
Wieder-Gabe nicht im ganz unpersönlichen
Dienst an einstiger Tat, muß alle persönliche
Einstellung nicht abgestreift werden, um den
Geist umso reiner wieder auferstehen zu lassen,
der da schuf — unangetastet von heutigem
Empfinden, ganz seinem einstigen Ausdruck
gelassen, als ein Fremdes verehrt. Ist persön-
liche Wiedergabe nicht Frevel!
Ja — und damit fassen wir den tiefsten Wert
dieser neuen Olympiabilder. Hier nämlich
scheint uns jene letzte Forderung erfüllt, die
wir an alle Reproduktion zu stellen haben:
restlose Hingabe an die Sache, — so restlos,
daß aus solcher Askese schon wieder persön-
licher Wert heraustreibt: Wert einer im Dienste
wachsenden Gestalt. Sodaß man also doch
wieder Namen mit Werk verknüpfen muß, um
das Ganze der Leistung zu nennen.
Und erst so erfassen wir das heute Wichtige
dieses Bilderwerks, seinen Charakter als einer
neuen Entdeckung jener dem Gott und der
Kunst geweihten Stätte in Hellas. Entdeckungs-
fahrten ins Unbekannte treiben hinaus in die
Erweiterung unseres Weltbilds. Entdeckungs-
fahrten ins Altbekannte treiben hinein in die
Erinnernis unseres Weltgefühls. Das ist die Tat
Richard Hamanns. Er fügt zu den zahlrei-
chen Entdeckungen der Antike, die dem Bild
unseres abendländischen Kunstempfindens die
Physiognomie geben, eine neue, die heutige
hinzu. Und wirklich — sie ist mehr als neue
Ausgrabung unbekannter Schätze. Altvertraute
läßt sie vor uns in neuer Gestalt erstehen. Um-
wertung alter Werte zu heutigster Bedeutung.
Und mit heutigsten Mitteln. Expedition mit
der Kamera ins alte Hellas — das ist Hamanns
Methode. Erforschung mit heutigem Sachlich-
keitsgefühl — das ist Hamanns Geist. Aus
kluger Ineinanderarbeit beider sind diese Tafeln
erstanden, die zur Mappe gefügt eine alte Welt
mit ganz neuen Impulsen unserm Bewußtsein
einfügen.
Diese großen Blätter betrachten ist wie ein
Wandeln durch Räume, wie ein Hindurchgleiten
durch mächtige Körpergefühle vielfältigsten
Atems. Sie zwingen, sich einzufügen in Stel-
lung, Lagerung, Geste, — wuchten in uns hinein
mit der ganzen Schwere des Materials, schwer-
körnigen Marmors der Adriainseln, erschüttern
uns wie mit der Wucht des straffen Meißel-
schlags. Plastik — man spürt sie mit der ganzen
Intensität ihrer Volumina, sie beult und stößt
heraus aus der Fläche der Tafel, treibt in den
schwarzen Grund hinein, und saugt aus ihm doch
alle Raumgewalten hervor, um sich mit ihnen
zu überspülen wie mit dunkelnden Wellen.
Schon dies, daß hier nicht kalte Helle vor toten
Grund gestellt ist, wie sonst meist in Aufnah-
men antiker Skulpturen, — es reißt das pla-
stische Leben voll hinein in diese notwendig
auf die Fläche gezwungenen Körper. Da aber
beginnt nun die eigentliche Kunst der Kamera.
Die Art, wie die Achsenbeziehungen erlauscht,
vom Räumlichen in die Fläche entsprechend
transponiert sind, — sie treibt diese Wieder-
gaben in ihre reife plastische Sichtbarkeit. Da-
bei trifft es sich glücklich, daß hier in Olympia
die Kunst des Marmormeisters jener des Photo-
graphen entgegenkommt. Der Olympiameister
baut seine Körper ein in grandiose Flächen. Er
schichtet und schiebt, drängt vor und verspannt,
deutet gewagteste Raumkonflikte immer mei-
sterlicher — je weiter er an seinem eigenen
Werk vom Ostgiebel über die Ost- und West-
metopen zum Westgiebel vordringt — durch
ruhige Flächenbegrenzungen aus, die das stets
zu Grunde liegende Achsenkreuz der Volumina
wie in heimlichem Magnetismus bestimmt. An
diese Flächenorganisation nun konnte der der
Fläche verhaftete Photograph ansetzen. Ihr
entsprechend wählt er Winkel und Distanz,
aus ihren Schichtungen holt er sich den Reich-
tum seiner Gliederung und kommt so auf dem
Umweg über des Plastikers sekundäres Mittel,
das sein primäres ist, in der Konsequenz der
Wirkung doch zum wahrhaftigen Abbild des
ursprünglichen Bestands, — jener Welt, die
zwischen Archaik und Parthenon die Blüte grie-
chischen Bildnergeistes darstellt.
Ernst Buschor, der Leiter des deutschen
archäologischen Instituts in Athen, hat den Text-
band zu dieser wertvollen Mappe geschrieben.
Nicht Folge der heroischen Perserkriege ist diese
Kunst, sondern umgekehrt — die Perserkriege
mußten erstehen aus dem heroischen Geist, der
solche Bildnerträume in sich barg, aus sich ge-
bar; mußten erstehen als sein äußeres ihm ge-
mäßes Schicksal. Reiche Bildbeigaben aus Vor-