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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Ritter, Heinrich: Bilde, Künstler, rede nicht!
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0333

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Bilde, Künstler, Rede niclit!

wie für den Dichter. Auch in der bildenden
Kunst gibt es dieses schwunglose „Reden" an-
stelle des kraftvollen, gestaltschaffenden „Bil-
dens". Immer dann, wenn in einem Gemälde
die Dinge flau, nüchtern, phantasielos gegeben
sind, wenn in der Farbe und Linie nicht eine
höhere, starke Ordnung waltet, immer dann ist
im Kunstwerk nur „geredet", nicht gebildet.
Goethes Mahnung bedeutet also lediglich die
Mahnung zum eigentlichen künstlerischen
Vorgehen. Sie erinnert den Dichter und Künstler
an die Grenze, die das bloße Sagen, Mitteilen
und Reflektieren von der Erschaffung echter
Gestalt scheidet. Sie stellt sich denen in den
Weg, die im schönen Denken und Fühlen schon
die künstlerische Arbeit geleistet glauben, und
fordert von ihnen echtes, sinnliches, blutwarmes
Leben, das aus den schöpferischen Tiefen des
Gemüts quillt. Letzten Endes kehrt sich Goethes
Mahnung gegen alles falsche Ersatzwesen in der
Kunst. Sie kehrt sich gegen den plumpen, geist-

XXIX. August 1926. 5

losen Buchstaben der Rezepte, der Doktrinen,
der platten Handwerkerei und bloßen Technik.

Nie aber kehrt sie sich dagegen, daß der
Künstler seinen Verstand gebraucht, um ge-
legentlich sich und anderen Klarheit über seine
Gesinnungen und Kunstmethoden zu verschaf-
fen. Nur im Kunstwerk ist ihm das „Reden"
verboten, nicht aber im Leben, nicht in Vertei-
digung und Angriff im Ringen der Geister, h. r.


Die Vernunft ist nur eine in allen und die-
selbe; wie aber jeder Mensch seine eigne
Natur hat und seine eigne Liebe, so trägt auch
jeder seine eigne Poesie in sich. Die muß ihm
bleiben und soll ihm bleiben, so gewiß er der
ist, welcher er ist, so gewiß nur irgend etwas
Ursprüngliches in ihm war; und keine Kritik
kann und darf ihm sein eigenstes Wesen, seine
innerste Kraft rauben, um ihn zu einem allge-
meinen Bilde ohne Geist und ohne Sinn zu läu-
tern und zu reinigen. . . . Friedrich schlegel.
 
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