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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Ritter, Heinrich: Lackmöbel und Verandamöbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0344

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Lackmöbel und Verandamöbel

ENTWURF: WENZ-VIETOR—MÜNCHEN

Dasselbe gilt für die Einzelmöbel, die die
Deutschen Werkstätten gleichzeitig vorführen
(vgl. Abb. S. 332). Das Einzelmöbel wird schon
seit Jahrzehnten als eine wichtige Aufgabe des
Kunsthandwerks angesehen und umworben.
Aber es kam bisher nie auf einen grünen Zweig,
weil sich ihm der Begriff einer geschlossenen
stilistischen Raumeinheit in den Weg stellte. Es
fehlte also die geistige Vorbedingung zur Schaf-
fung von Einzelmöbeln. Diese setzen einen
freieren Harmonie-Begriff voraus, als in den
letzten Jahren zugelassen war; einen Har-

monie-Begriff, der
nicht die gebunde-
ne Durchführung
der einen Stil-
Linie, des einen
Ornaments, des
einen Konstruk-
tionsgedankens im
ganzen Raum ver-
langt, sondern der
mit Kontrasten
(auch im Material)
zu arbeiten er-
laubt. Diese gei-
stige Vorbeding-
ung ist heute nun
gegeben, u. wenn
nicht alles täuscht,
wird sie binnen
kurzem zu einer
Blüte des Einzel-
möbels führen. —
Eine schöne Probe
bieten die Leist-
ungen der Deut-
schenWerkstätten
dar. Diese Tische,
Spiegel, Schirm-
ständer, Sessel u.
Sofas beziehen
ihre Formgedan-
ken aus sehr ver-
schiedenen Ge-
genden ; China,
Expressionismus,
Biedermeier ha-
ben dazu beige-
steuert. Aber sie
haben eine Kom-
binierbarkeit, eine
Fügsamkeit zuein-
ander, die reiz-
volle Harmonien
ermöglicht. Wenn
es erlaubt ist, bei
dieser Betrachtung eine abseits liegende geistes-
geschichtliche Analogie hereinzunehmen, so
kann man sagen: in dieser neuen Möglichkeit des
Einzelmöbels kommt eine erwünschte Auswir-
kung des vielbeschrieenen modernen Relativis-
mus zum Ausdruck. Wie im Geistigen heute
die verschiedenen Weltanschauungen neben-
einander Geltung haben, wie das Individuelle
heute im Sinne einer höheren Lebens-Harmo-
nie anerkannt wird, so wird auch eine Raumein-
heit möglich, die aus individuellen Möbeln
besteht. Wir fliehen die Spannungen nicht, wir

»SPIEGEL, TISCH, STÄNDER«
 
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