Der Münchener Glaspalast 1926
CONRAD
H O M M E L
»DER ROTE
LIPPENSTIFT«
liehe Gestalt, wie sie in dicker, warmer Farbe
(einer richtigen „Sumpfvegetation" von Farbe)
undeutlich verdämmert. Hier wird die Lust der
Erde nicht mehr auf einen lachenden, genießen-
den Menschen bezogen, sondern der Mensch
gibt sich dem vegetativen Leben fast wie ein
Opfer dahin.
Wie f euilletonistisch-unverbindlich, wie leicht-
sinnig, genäschig und, bei allem pompösen
Theaterdonner, wie fidel nimmt sich dagegen
die Kunst eines Leo Samberger aus! Witze,
Feuerwerk, Oberfläche, grenzenlose Ich-Ver-
liebtheit, unauflösliche Geistreichelei: wahrlich
eine Bühnenwelt aus Pappe und Lattenwerk,
Effekt und Scheinwerfer ohne kernhafte Wirk-
lichkeit und Materialität. Die Rolle, die Sam-
berger in München spielt, ist von außen fast
unverständlich; sie wird erst einigermaßen be-
greiflich, wenn man sie einfügt in jene ganze
Überlieferung von Theaterei, die in München
gegeben ist und der Geibel so gut wie Possart,
die Gotik der Maximilianstraße so gut wie
Lenbach, F. A. Kaulbach und Stuck angehören.
Sie heißt: Gebärde des großen Wagnisses ohne
zureichende Fundierung, und sie setzt, gleich-
sam unterirdisch, die Gesinnung jener Einfüh-
lung in das Renaissance-Zeitalter fort, die vor
nahezu zwei Menschenaltern in München herr-
schend war. Selbst bei Becker-Gundahl ist
noch eine Spur von ihr zu bemerken.
Die Kollektion Julius Seyler zeigt das an-
gespannte Ringen eines grüblerisch - schwer-
mütigen und vom ernstesten Streben beseelten
Künstlers um den Ausdruck seiner Welt. Die
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CONRAD
H O M M E L
»DER ROTE
LIPPENSTIFT«
liehe Gestalt, wie sie in dicker, warmer Farbe
(einer richtigen „Sumpfvegetation" von Farbe)
undeutlich verdämmert. Hier wird die Lust der
Erde nicht mehr auf einen lachenden, genießen-
den Menschen bezogen, sondern der Mensch
gibt sich dem vegetativen Leben fast wie ein
Opfer dahin.
Wie f euilletonistisch-unverbindlich, wie leicht-
sinnig, genäschig und, bei allem pompösen
Theaterdonner, wie fidel nimmt sich dagegen
die Kunst eines Leo Samberger aus! Witze,
Feuerwerk, Oberfläche, grenzenlose Ich-Ver-
liebtheit, unauflösliche Geistreichelei: wahrlich
eine Bühnenwelt aus Pappe und Lattenwerk,
Effekt und Scheinwerfer ohne kernhafte Wirk-
lichkeit und Materialität. Die Rolle, die Sam-
berger in München spielt, ist von außen fast
unverständlich; sie wird erst einigermaßen be-
greiflich, wenn man sie einfügt in jene ganze
Überlieferung von Theaterei, die in München
gegeben ist und der Geibel so gut wie Possart,
die Gotik der Maximilianstraße so gut wie
Lenbach, F. A. Kaulbach und Stuck angehören.
Sie heißt: Gebärde des großen Wagnisses ohne
zureichende Fundierung, und sie setzt, gleich-
sam unterirdisch, die Gesinnung jener Einfüh-
lung in das Renaissance-Zeitalter fort, die vor
nahezu zwei Menschenaltern in München herr-
schend war. Selbst bei Becker-Gundahl ist
noch eine Spur von ihr zu bemerken.
Die Kollektion Julius Seyler zeigt das an-
gespannte Ringen eines grüblerisch - schwer-
mütigen und vom ernstesten Streben beseelten
Künstlers um den Ausdruck seiner Welt. Die
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