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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Heyken, Richard: Das "Richmodis-Haus" in Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0381

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DAS „RICHMODIS-HAUS" IN KÖLN

Wie aller Kunst, so ist dem Wohnhausbau
und der Raumkunst im Rheinland von
jeher eine gute Stätte bereitet worden. Man
durfte annehmen, daß die hochentwickelte Tra-
dition zusammen mit der Pflege geistiger und
gesellschaftlicher Kultur den neuen Bewegungen
gerade hier den Weg geebnet hätte. Dem Rhein-
länder ist zwar eine glückliche Vereinigung von
Lebensfreude mit Formsinn verliehen, aber im
geringen Maße ist ihm der Mut eigen, zur frei-
willigen Verzichtleistung auf gesellschaftliche
Konventionen. Nur so ist es zu erklären, daß
sich in Köln der Typ des Siedelungsbaues trotz
starker Bautätigkeit der letzten Jahre nicht ent-
wickelt hat im Vergleiche zu dem gewaltigen
Fortschritt des Reihenhausbaues z. B. in den
holländischen Städten. So blieben neue Typen,
wie das Neven-Dumont-Haus und das Salomon-
Mann-Doppelhaus von Bruno Paul vereinzelte
Erscheinungen im Stadtbilde von Köln. Es
mehren sich aber die Zeichen, daß auch die,
der neueren Entwicklung bisher verständnislos
gegenüberstehenden Maßgebenden, bereit sind,
sich mit dem Unabwendbaren auseinanderzu-
setzen und auszusöhnen. Nicht umsonst ist die
große Düsseldorfer Ausstellung für weite Kreise
die Brücke zum Verständnis neuzeitlichen Ar-
chitekturwillens geworden. Für das Weitere
wird die Rivalität der niederrheinischen Städte
auf dem Gebiete der Gestaltung von großen
Ausstellungen sorgen.

In aller Stille hat sich zu Köln ein Ereignis
von geringerem Umfang vollzogen, dem aber
eine befruchtende Einwirkung von langer Dauer
zu prophezeien ist: Die Begründung des „Rich-
modis-Haus". Diese Kunststätte, an einem
jedem Kölner bekannten historischen Punkte
der Stadt, hat nur wenige Monate ihres Be-
stehens gebraucht, um ein gewichtiges Element
im Kulturleben Kölns zu werden. Wohlbekannte
Kräfte sind hier am Werke. Die „Deutsche
Werkstätten A.G.", mit den Traditionen von
München und Hellerau eng verknüpft, fand den
Mut, in wirtschaftlich schwerer Zeit hier dem
Geiste des „Deutschen Werkbundes" einen
Tempel zu errichten. Sie beauftragte Professor
Bruno Paul mit dem Umbau des alten Hauses
in der Richmod-Straße. Bei der durchgreifen-
den Umänderung des Äußeren und Inneren
blieb, was dem Architekten zur Ehre gereicht,
die historische Schönheit der wohlgegliederten
Empirefassade nicht nur unangetastet, sie wurde
noch gesteigert durch die rhythmisch ausge-

zeichnete Einfügung der hohen Schaufenster in
einen glatten Unterbau. So entstand ein Bei-
spiel mustergültiger Umgestaltung eines alten
und erhaltungswerten Bauwerkes zu einem neu-
zeitlichen Geschäftshaus.

Im Inneren galt es, eine im Laufe der Jahre
verbaute und unbrauchbare Grundrißanlage mit
engen Stuben, dunklen Gängen und winkligen
Treppen zu einem organischen Gefüge von
Raumabmessung mit Licht und Luft umzufor-
men. Daß der vollendete Umbau den Eindruck
einer originalen Neuschöpfung macht, beweist
die Meisterschaft des Architekten, der mit den
sparsamsten Mitteln zu arbeiten gewillt war.
Die Betonung vorhandener konstruktiver Be-
sonderheiten wurde hierbei die Quelle dessen,
was dem Haus als Bau den besonderen Reiz
verleiht. Als dann sozusagen die Struktur des
Ganzen vollendet dastand, legten Architekt
und Auftraggeber die innere Ausgestaltung in
die Hände einer bewährten Mitarbeiterin: Frau
Tilly Schloemann. Nun erwächst ein spannen-
der Moment: Durch harmonisches Zusammen-
arbeiten und Sichergänzen einer Dreiheit, des
in großen Umrissen denkenden, plastisch ge-
staltenden Baukünstlers, des weitsichtigen
Kunstindustriellen und der feinsinnigen Raum-
künstlerin und Frau entsteht ein Kunstwerk,
das zugleich Erziehungsstätte und wirtschaft-
liches Unternehmen von kulturellem Wert ist.

Man durchwandelt diese Räume, die sich in
ihrer Wirkung gegenseitig steigern, fast ein
wenig befangen, aber innerlich beglückt von
dem Leben, das alles erfüllt. Eine feinfühlige
Hand hat hier Gaben ausgestreut, scheinbar
leicht und zwangslos und wie zufällig, aber man
fühlt das Rhythmische, Symphonische, das inner-
lich Gesetzmäßige. Von der Anordnung der
Möbel, der Verteilung nützlicher, wie schmük-
kender Dinge ließe sich vieles erzählen. Was
aber neben den tektonischen und bis ins Letzte
abgeschliffenen Formen der Möbel Bruno Pauls
diesen Räumen den Ausdruck gibt, ist die un-
erhört sichere Anwendung der Farbe, ihr Her-
vortreten als ausschlaggebender Faktor der
Raumstimmung. Es ist eine ganz naturhafte und
naturnahe Farbenentfaltung, welche die Pracht
blühender Gärten in die Wohnräume überträgt.
Es ist Heiterkeit, Zartheit, Jugendlichkeit. Aus
den Harmonien von Tapeten, Teppichen, Wand-
anstrichen, Malereien, Hölzern und Stoffen
spricht ein klingendes Farbenerleben, das man
fast musikalisch empfinden kann.

IX. September 1926. 4
 
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