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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Schürer, Oskar: Heimliche Romantik
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0386

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RICHMODIS-1IAUS IN KÖLN A. RH.

»MAIM'ENSGHRANK IM ATELIER«

HEIMLICHE ROMANTIK

Man hat die modernste Kunst des öftern
als ein Wiederaufkommen der Romantik
bezeichnet. Man berief sich dabei auf die Ge-
fühlsentladungen der Expressionisten u. auf ihre
entnaturalisierende Anschauung der Welt. Wie
grob derlei Verallgemeinerungen sind, braucht
hier nicht betont zu werden. Feinere Beobach-
tungen bewiesen schon die, die in Hinsicht auf
formale Eigentümlichkeiten der modernen Kunst
eine neue Romantik ausriefen, — unter Hin-
weis z. B. auf die plötzlich wieder fein kontu-
rierenden Zeichner und ähnliches. Immerhin:
die Einstellung wurde nicht richtiger durch solche
Umkehrung. Ihr Gefährliches beruht in der
Verwässerung des Begriffes „Romantik", in den
man unbekümmert alles hineinlud, was exakt
rationaler Durchdringung sich entzog. Und so
war man auf dem besten Weg, alles wieder zu
verschleudern, was eine Generation an klarer
Begriffsbestimmung des „Romantischen" über-
haupt wie der historischen „Romantik" im be-
sonderen herausgearbeitet hatte. Diese letztere
hatte sich der einsichtigen Forschung nämlich
als sehr prägnant fixiert aus dem allgemein

„Romantischen" herausgehoben, — und daß
diese klare Scheidung von den landläufigen
„Romantik"-Rubrikanten so gar nicht beachtet
wird, das ist es, was ihre Entdeckungen inner-
halb der modernen Kunst in so „romantische"
Verwirrung bringt.

Wer heute von einer „neuen Romantik"
faselt, beruft sich ausgesprochen oder unaus-
gesprochen auf jene historische, d. i. klassische
Romantik nach 1800. Und merkt dabei gar
nicht, daß er sich gerade durch diese Berufung
ad absurdum führt. Die eigentliche „Romantik"
zog den gesamten Weltstoff, historischen wie
aktuellen, ins Subjekt hinein, um ihn dort rest-
los einer Illusion anzuverwandeln. Wirklich-
keit war ihr das Beängstigende, Hassenswerte,
zu Überwindende. Sie wurde mystiziert, oder
aber in Skepsis und Ironie übersprungen.
Ganz anders die heutige Lebensstimmung und
ihre Kunst. Alles Subjektive wird ins Objektive
hinausprojiziert, an dessen Maßstäben gemessen
und so erst zur Gültigkeit erhoben. Die „Ex-
pression" darf darüber nicht hinwegtäuschen.
Sie ist der Versuch, im tiefsten Kern des Ichs
 
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