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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 58.1926

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Schürer, Oskar: Heimliche Romantik
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https://doi.org/10.11588/diglit.9181#0387

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Heimliche Romantik

eben jene objektive Wirklichkeit anzutreffen,
um die die Moderne nun gerade in umgekehrter
Funktion der Ironie ringt. Und die weitere Ent-
wicklung zu einem auch formalen „Realismus"
führte diesen Prozeß der Verwirklichung fort.
Also eine im Grunde diametral entgegengesetzte
Lebensstimmung deutet die moderne Kunst auf.
Oberflächenvergleichungen ergeben da nur
äußerst bedenkliche Mißverständnisse.

Das unlängst aufgekommene Schlagwort von
der „neuen Sachlichkeit" müßte jene Roman-
tik-Rubrikanten doch eigentlich warnen. Sach-
lichkeit ist denn doch wohl das gerade Gegen-
teil von aller Romantik. Und wenn man sich
nun auch sehr wohl vorstellen kann, daß beides,
sowohl Romantik wie Sachlichkeit, in einer doch
in sich ziemlich zerspaltenen Zeit wirken mögen,
so dürfte dieses Beieinander einer in Bausch und
Bogen „Romantik" proklamierenden Theorie
immerhin recht abträglich sein. Mißlich wird die
Situation für jene Romantik-Theoretiker aber
erst, wenn sie sich nachweisen lassen müssen,
nicht nur, daß in der von ihnen angeführten
Kunst keine Spur echter Romantik treibt, son-

dern daß gerade in der von ihnen als Gegenpol
ihrer „neuen Romantik" zu empfindenden
„Neuen Sachlichkeit" so etwas wie eine heim-
liche Romantik rumort. Man sehe sich daraufhin
einmal den von den Sachlichkeitsaposteln ins
Treffen geführten Otto Dix an. (Auch Mense
könnte herangeholt werden.) Betrachten wir
dessen großes Kriegsbild „Schützengraben",
ein erstaunliches Werk, was ursprüngliche
Formungskraft und monumentales Bildnertum
anlangt. „Krassester Realismus", „verletzende
Schroffheit der Übertreibung" schreien die
Gegner — und treiben mit ihrem Geschrei
dieses schöne Bild aus den Galerien. Über-
sehen damit natürlich das Eigentliche dieses
Bildes — und der Kunst eines Dix überhaupt.
Dieses Eigentliche liegt nämlich erst in der
Spannung, in der dies veristische Moment der
Wiedergabe zu dem Gesamtrhythmus des Bildes
steht. Der nun ist ausgesprochene Romantik,
sowohl was die Farbenstimmung und die
Schichtung der Gründe anlangt, als vor allem,
was an Einstellung zur Wirklichkeit im Gesamt-
kompositionellen sich ausspricht. Der Regen-

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