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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Niccolo Pisano: gest. um 1280
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0039

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FORTENTWICKLUNG SEINES STILS.

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tritt,, ift doch auch für die fienefifche Malerei die in byzantinifcher Weife reich
verzierte Kleidung bezeichnend.
Die tiefer gehenden ^ oben angeführten Unterfchiede zwilchen den beiden
Kanzeln laffen fich aber nicht durch örtliche Eigentümlichkeiten erklären., fon-
dern wir müffen entweder annehmen dafs die neuen und abweichenden Kunft -
elemente an der Kanzel zu Siena von NiccoloL Mitarbeitern herrühren; oder dafs
fleh innerhalb der Kunftrichtung Niccolo's felbft eine bedeutende Veränderung
vollzogen. Im Hinblick auf den oben mitgetheilten Vertrag ift doch wohl das
Letztere wahrfcheinlicher'; denn in demlelben erfcheint Niccold durchaus als die
Seele des Unternehmens. Vor Allem läfst fich der veränderte Charakter der
Kanzelfculpturen zu Siena nicht; wie es mehrfach gefchehen ift; der eigentüm-
lichen Begabung Giovanni PifanoT zufchreiben; denn diefer erfcheint ja in der
betreffenden Urkunde mehr als noch unreifer Lehrling feines Vaters denn als
fertiger Künftler. Wenn nun an der Kanzel zu Siena die Nachahmung antiker
Mufter zwar nicht völlig aufgegeben; aber doch mehr in den Hintergrund getreten
ift und die Richtung auf lebendigeren Ausdruck; aufs Dramatifche; mit einem Worte
eine der weiter unten zu betrachtenden Kunft Giovanni PifanoL verwandte Ten-
denz fich geltend macht; fo werden wir annehmen müffen; dafs eben Giovanni
die Anregung zu feiner Kunftweife bereits vom Vater überkommen hat; welcher
in feiner eigenen künftlerifchen Fortentwickelung die betreffende Wandlung durch-
machte. Die Keime diefer Wandlung nahmen wir fchon an der Kanzel zu Pifa
wahr; WO; wie wir uns erinnern; die HCreuzigungK bereits ein gefteigertes drama-
tifches Leben und weniger antike Anklänge zeigte. Auch ift eine folche Ver-
änderung innerhalb der Kunftweife eines bedeutenden Meifters an fich nichts
Unwahrscheinliches. Niccolo mag nach Vollendung der Kanzel zu Pifa empfunden
haben; dafs er zwar an der Hand der Antike bedeutende; ja zum Theil Schöne
Formen in die Sculptur wieder eingeführt hatte; dafs diefes aber vielfach auf
Koften des Ausdruckes gefchehen fei. Da lag denn das Beftreben nahe; nach
diefer Seite hin die Kunft zu vertiefen. Dafs hiebei zunächft manches von dem
früher Errungenen wieder geopfert wurde; wundert uns nicht; wenn wir bedenken;
wie äufserlich die Nachahmung der Antike durch Niccolo zunächft gewefen.
Weiter unten werde ich zu zeigen verfuchen; dafs Niccolo in fpäteren Jahren
tiefer in das Wefen antiker Sculptur eindrang; was ihm dann die Möglichkeit
gab; den neuen Inhalt mit den aus der Antike nun nicht mehr äufserlich her-
übergenommenen; Sondern innerlich angeeigneten Kunftelementen in Einklang zu
bringen.

Mitten in die Zeit; da die Kanzel zu Siena gefördert wurde; in das Jahr 126/;
fiel in Bologna die Uebertragung der Leiche des heil. Dominicus in eine neue
Graburne; welche Niccolo Pifano mit einem feiner Schüler; dem Dominicaner
Fra GuglielmO; gefertigt hatte. Diefe ^arca di S. Domenicoa befindet fich noch
heute; mit fpäteren Zufätzen reich ausgeftattet; in der nach dem Heiligen be-
nannten Kirche zu Bologna. Hier kommen nur die Scenen aus der Legende des
heil. Dominicus und feines Schülers Reginald in Betracht. Das bedeutendfte
der durch Statuetten von einander gefchiedenen Reliefs ift dasjenige; welches
die wunderbare Auferweckung des mit dem Pferde geftürzten Jünglings zeigt;
 
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