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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Giotto: geb. in Vespignano 1276, gest. in Florenz 1336
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0085

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MALEREIEN IN DER CAPELLA DELL' ARENA ZU PADUA.

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empfindet, da die alte Wärterin ihm das Gehchtchen gründlich reinigt. Der Ein-
druck einer Wochenftube wird noch durch ein paar Frauen ergänzt, deren Thätig-
keit lieh auf die Pflege der Wöchnerin bezieht.
Mit Recht ift bei dem "Tempelgang« der kleinen Maria auf die liebevolle
Sorgfalt hingewiefen worden, mit welcher die Mutter die Schritte des Kindes
überwacht und es beim Erfteigen der zum Tempel hinanführenden Stufen unter-
ftützt. Auch der greife Zacharias ftreckt vorforglich dem Mädchen die Arme
entgegen: io wird die kleine Maria gewiffermaafsen von den Armen der Liebe
emporgeführt zum Haufe Gottes. Der Vorgang wird von einer Anzahl von
Männern und Frauen mit theilnehmenden Mienen verfolgt und belprochen.
Nun folgt die Legende von der Bewerbung um Maria's Hand, wonach derjenige
ihrer Freier he heimführen follte, deffen Stab in wunderbarer Weife erblühen würde.
Hinter einem Altar fteht der Priefter und fammelt die Stäbe ein. Der greife
Bjoieph naht unter einer Schaar jugendlicher Freier«. Dann fleht man die ^Freier
vor dem Altar«, auf welchem die Stäbe zuiämmengehellt find, am Boden knieen.
Voller Spannung blicken Alle nach der Stelle hin, wo das Wunder fich voll-
ziehen foll. Nun ih das Wunder gefchehen: an Joieph's Stab ift eine Lilie er-
blüht, auf welche eine Taube fich niedergelaffen hat. xDer Priefter thut das
Paar zufämmen». Hinter der demüthig daftehenden Maria fehen wir ihre Ge-
fährtinnen, wie he mit Aufmerkfamkeit der Ceremonie folgen; hinter Jofeph die
Freier, von denen einer über das Alter des Bräutigams zu lpotten lcheint, wäh-
rend ein anderer in Schmerz und PInmuth feinen Stab mit dem Knie zerbricht,
wieder andere ihre Gedanken über den Hergang gegen einander austaufchen.
Das folgende Bild, das den ))Hochzeitszug« fchildert, hat leider lehr gelitten.
Sittfam fchreitet Maria, von ihren Freundinnen begleitet, in der Mitte des Zuges,
vor ihr zwei ältere Männer und ein junger Violafpieler, zwei andere Muhkanten
empfangen die Nahenden. Mit grofser Wahrheit ift die feierlich langfame Be-
wegung des Zuges zum Ausdruck gekommen, und in lehr glücklicher Weife ift
die ihren Gefährtinnen voranfehreitende Maria als Hauptperfon betont.
Bei der B Verkündigung« ift der Engel Gabriel wie auch Maria knieend dar-
geftellt. Während jener mit der erhobenen Rechten feine Rede begleitet, hat
Maria demüthig ihre Arme über der Bruft gekreuzt. In der Rechten hält he
noch das Buch, in welchem he gelefen, als ihr der Engel plötzlich erfchien. Ob-
gleich die beiden Figuren durch die Bogenöffnung getrennt find, ift ihre Be-
ziehung auf einander fb fprechend gegeben, dafs der Befchauer fbfort den Ein-
druck der Zufammengehörigkeit der beiden herrlichen Gehalten empfängt.
Bei der xHeimfuchung« ift die innige Theilnahme, welche Maria und Elilabeth
zu einander hegen, wie in dem entlprechenden Bilde zu Afhh das geiftige Centrum
der Gompohtion, welche in S. Francesco durch eingehendere Behandlung und die
Hinzufügung des landfchaftlichen Hintergrundes noch an Reiz gewonnen hat.
Von nun an tritt Chriftus in den Vordergrund der Handlung. In der "Ge-
burtsfeene« hat Giotto diefes Mal das Bad weggelaffen. Während in Afhh Maria
auf ihrem Lager aufrecht htzt und das Kind emporhält, wird hier der kleine
Jefus von einer Frau der auf ärmlichem Lager liegenden Mutter gereicht, die
voll Zärtlichkeit die Arme danach ausftreckt. Wieder hat es Giotto vortrefflich
verftanden, das Staunen der Hirten auszudrücken, was hier eine befonders fchwie-
rige Aufgabe war, da die beiden Hirten uns faft ganz den Rücken zukehren.
 
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