46
GIOTTO.
leinen Erfindungen zu Werke geht. Der Bau der Kirche Sta. Maria Novella, in
deren Gondi-Capelle Vafari die griechiichen Lehrmeifter des Cimabue arbeiten
läfst, begann erft im Jahre 12/p, wo Cimabue Schon längft über das Kindes- und
Jünglingsalter hinaus war. Auch ift es urkundlich erwiefen, dafs es in der Zeit
von CimabueL Kindheit in Florenz und im übrigen Italien zahlreiche einheimifche
Künftler gab. Daffelbe lehrt auch ein Blick auf die Kunftdenkmäler, welche aus
jenen Tagen auf uns gekommen. War doch, um ein Beifpiel ftatt vieler zu
nennen, das Mofaik in der Altarnifche des Baptifleriums zu Florenz laut Infchrift
bereits im Jahre 1225 durch den Franciscaner-Mönch Jacopo gefertigt worden.
Nichtsdeftoweniger hat Vafarfs leichthnnige Abfertigung eines Jahrhunderte wäh-
renden Kunftlebens, feine Fabel vom ausfchliefslichen Kunflbetriebe durch die
Byzantiner und von dem urplötzlichen Auffchwunge der Kunft durch Cimabue
bis in unfer Jahrhundert Glauben gefunden und als Ausgangspunkt für die Auf-
faflung der mittelalterlichen Kunft Italiens gedient.
Erft als in der Periode der Romantik der Sinn für's Mittelalter erwachte und
man gründlichere archivalifche und Denkmälerftudien auf dem Gebiete der früheren
italienifchen Kunft vornahm, erwies es hch, dafs Vafärfs Angaben auf grober
Unkenntnifs diefer älteren Kunft feines Vaterlandes und auf dem im Renaiffance-
Zeitalter gleichfam in der Luft liegenden Vorurtheile gegen alle echt mittelalter-
lichen Bildungen beruhten. Gewifs ift es nicht zufällig., dafs es ein deutlicher
Forfcher war, welcher der richtigeren Auffaffung der Kunft des italienifchen Mittel-
alters durch feine Schriften die Wege bahnte, gewifs auch nicht zufällige dafs Ru-
mohr in dem Kreife der deutlichen Künftler verkehrte, welche damals, als er feine
^Italienischen Forfchungerm Schrieb, in Rom für prärafaelifiche Kunft hch be-
geifterten.
Seit jener Zeit find viele Documente, welche die Namen älterer italienifchen
Künftler enthalten, veröffentlicht und viele ältere Malereien erforficht worden.
Die »byzantinifiche Fragen ift vielfach aufgeworfen und in verfichiedener Weife be-
antwortet worden.
So viel fteht jedenfalls feft, dafs in Italien in den Giotto vorangehenden Jahr-
hunderten byzantinifche Künftler gearbeitet haben. So namentlich in Venedigs
wo die Mofaiken von S. Marco und diejenigen in den Domen der Laguneninfeln
Torcello und Murano vielfach die Eigenthümlichkeiten fpecifhch byzantinificher
Kunft zeigen, wo die griechiichen Maler und Mofäiciften eine eigene Brüderfchaft
bildeten und wo hch byzantinihrender Stil bis iiFs 14., ja 15. Jahrhundert hinein
erhielt. Eine andere griechische Künftlercolonie wirkte auf der Infel Sicilien, wo
die Kirchen zu Monreale und Palermo Mofaiken byzantinifchen Stiles enthalten.
Wie weit an dielen Werken einheimifche, von den griechiichen Meiftern ausge-
bildete Künftler mitgewirkt haben, läfst hch nicht erweifen. Jedenfalls aber haben
he ganz im Geifte ihrer griechiichen Lehrer gearbeitet. Endlich tragen die meiften
älteren Malereien des Südlichen Italiens — obgleich he neuerdings neapolitanifcher
Localpatriotismus als Erzeugniffe einer Selbständigen nationalen lüditalieniichen
Schule darzuftellen verfucht, welche lange vor Cimabue die Wiedergeburt der
italienifchen Kunft in Angriff genommen habe — fo fehl* den Charakter byzan-
tiniicher Kunft an hch,, dafs wir hier einen dritten Ausgangspunkt der byzanti-
niichen Manier annehmen mtiffen, was ja auch mit der politischen Gefchichte im
Einklang fteht; denn, wie Venedig und Sicilien, war ja auch das ludliche Italien
GIOTTO.
leinen Erfindungen zu Werke geht. Der Bau der Kirche Sta. Maria Novella, in
deren Gondi-Capelle Vafari die griechiichen Lehrmeifter des Cimabue arbeiten
läfst, begann erft im Jahre 12/p, wo Cimabue Schon längft über das Kindes- und
Jünglingsalter hinaus war. Auch ift es urkundlich erwiefen, dafs es in der Zeit
von CimabueL Kindheit in Florenz und im übrigen Italien zahlreiche einheimifche
Künftler gab. Daffelbe lehrt auch ein Blick auf die Kunftdenkmäler, welche aus
jenen Tagen auf uns gekommen. War doch, um ein Beifpiel ftatt vieler zu
nennen, das Mofaik in der Altarnifche des Baptifleriums zu Florenz laut Infchrift
bereits im Jahre 1225 durch den Franciscaner-Mönch Jacopo gefertigt worden.
Nichtsdeftoweniger hat Vafarfs leichthnnige Abfertigung eines Jahrhunderte wäh-
renden Kunftlebens, feine Fabel vom ausfchliefslichen Kunflbetriebe durch die
Byzantiner und von dem urplötzlichen Auffchwunge der Kunft durch Cimabue
bis in unfer Jahrhundert Glauben gefunden und als Ausgangspunkt für die Auf-
faflung der mittelalterlichen Kunft Italiens gedient.
Erft als in der Periode der Romantik der Sinn für's Mittelalter erwachte und
man gründlichere archivalifche und Denkmälerftudien auf dem Gebiete der früheren
italienifchen Kunft vornahm, erwies es hch, dafs Vafärfs Angaben auf grober
Unkenntnifs diefer älteren Kunft feines Vaterlandes und auf dem im Renaiffance-
Zeitalter gleichfam in der Luft liegenden Vorurtheile gegen alle echt mittelalter-
lichen Bildungen beruhten. Gewifs ift es nicht zufällig., dafs es ein deutlicher
Forfcher war, welcher der richtigeren Auffaffung der Kunft des italienifchen Mittel-
alters durch feine Schriften die Wege bahnte, gewifs auch nicht zufällige dafs Ru-
mohr in dem Kreife der deutlichen Künftler verkehrte, welche damals, als er feine
^Italienischen Forfchungerm Schrieb, in Rom für prärafaelifiche Kunft hch be-
geifterten.
Seit jener Zeit find viele Documente, welche die Namen älterer italienifchen
Künftler enthalten, veröffentlicht und viele ältere Malereien erforficht worden.
Die »byzantinifiche Fragen ift vielfach aufgeworfen und in verfichiedener Weife be-
antwortet worden.
So viel fteht jedenfalls feft, dafs in Italien in den Giotto vorangehenden Jahr-
hunderten byzantinifche Künftler gearbeitet haben. So namentlich in Venedigs
wo die Mofaiken von S. Marco und diejenigen in den Domen der Laguneninfeln
Torcello und Murano vielfach die Eigenthümlichkeiten fpecifhch byzantinificher
Kunft zeigen, wo die griechiichen Maler und Mofäiciften eine eigene Brüderfchaft
bildeten und wo hch byzantinihrender Stil bis iiFs 14., ja 15. Jahrhundert hinein
erhielt. Eine andere griechische Künftlercolonie wirkte auf der Infel Sicilien, wo
die Kirchen zu Monreale und Palermo Mofaiken byzantinifchen Stiles enthalten.
Wie weit an dielen Werken einheimifche, von den griechiichen Meiftern ausge-
bildete Künftler mitgewirkt haben, läfst hch nicht erweifen. Jedenfalls aber haben
he ganz im Geifte ihrer griechiichen Lehrer gearbeitet. Endlich tragen die meiften
älteren Malereien des Südlichen Italiens — obgleich he neuerdings neapolitanifcher
Localpatriotismus als Erzeugniffe einer Selbständigen nationalen lüditalieniichen
Schule darzuftellen verfucht, welche lange vor Cimabue die Wiedergeburt der
italienifchen Kunft in Angriff genommen habe — fo fehl* den Charakter byzan-
tiniicher Kunft an hch,, dafs wir hier einen dritten Ausgangspunkt der byzanti-
niichen Manier annehmen mtiffen, was ja auch mit der politischen Gefchichte im
Einklang fteht; denn, wie Venedig und Sicilien, war ja auch das ludliche Italien