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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Woermann, Karl: Domenico Ghirlandajo: geb. 1449 in Florenz, † 1494 ebenda
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0435

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DOMENICO CHIRLANDAJO.

Das gröfste Werk diefes erflen Jahrfünfts feiner beglaubigten künhlerifchen
Thätigkeit fchuf Domenico aber in feiner Vaterftadt. Es ift der Freskencyklus
der Kapelle der Familie Saffetti in der Dreifaltigkeitskirche zu Florenz (4). Da
der Name des Behellers Francesco war, fo hei dem Künftler die Aufgabe zu,
die Wände der Kapelle mit den Gefchichten des heiligen Franz von Afhh zu
fchmücken. Diefe, welche in fechs Abtheilungen an den drei Seiten der Kapelle
vertheilt find, bilden in derThat ihren Hauptfchmuck. Aufserdem hellte Domenico
in den vier Feldern des Kreuzgewölbes vier Sibyllen und rechts und links vom
Altar die äufserh fprechenden knieenden Porträtgehalten des Stifters und feiner
Gemahlin dar. Von den hihorifchen Fresken gewähren die beiden kleineren
Gemälde, welche den heiligen Franz nackt vor feinem Vater zumBifchofe fliehend
und die Feuerprobe vor dem Sultan darhellen, das geringhe Intereffe. Die vier
Hauptbilder aber, welche i) die Behätigung der Ordensregeln der Minoriten durch
Paph Honorius III., 2) die Stigmatihrung des Heiligen, ß) feine Erfcheinung in
Wolken zur Auferweckung des aus dem Fenher gefallenen Kindes, 4) feine Be-
hattung('^) darhellen, gehören zu den höchhen Meiherwerken, welche das fünf-
zehnte Jahrhundert gefchaffen. Auf dem Bilde der Stigmatihrung fällt das
Dominiren der Fandfchaft auf. Selbh Benozzo Gozzoli hat keinen landfchaft-
lichen Hintergrund gemalt, der fo fehl* das Hauptintereffe in Anfpruch nähme.
Es ih eigentlich fchon eine Fandfchaft mit hihorifcher Staffage. Diefe Fand-
fchaft nun, welchePifa im Hintergründe zeigt, ih, bei allem Realismus im Einzelnen,
doch durchaus componirt. Die Gehalten des heiligen Franz und feines Be-
gleiters find lebendig und ausdrucksvoll mit ihr in Verbindung gefetzt. Das
am Himmel erfcheinende Crucihx ih merkwürdig klein, aber von grofsen ge-
flügelten Engelköpfen umgeben. Das Auge des Befchauers wird durch die nicht
zur Gefchichte gehörigen Staffagehguren des Hintergrundes, durch das Wild des
Vordergrundes, durch alle Einzelheiten der reichen Fandfchaft von der Betrachtung
der Hauptfcenen abgezogen. — In ähnlicher Weife nimmt eine binnenhädtifche
Strafsenanflcht auf dem Bilde der Erweckung des Kindes ein bedeutendes
Intereffe in Anfpruch, aber die viel figurenreichere Handlung hält hier doch
entfchieden die Hauptaufmerkfamkeit zusammen. Hinten fleht man in perfpekti-
vifch vortrefflich verkleinerten Figuren das Kind aus dem Fenher fallen und
erfchrockene Deute herbeieilen. Vorn richtet das Kind fleh auf feiner in offener,
reichbelebter Strafse behenden Bahre vor der in Wolken erfcheinenden, mild-
verklärten, nur halb flchtbaren Gehalt des heiligen Franz zum Sitzen empor.
Die zahlreichen Zufchauer zu beiden Seiten der Bahre machen hier, auf offener
Strafse, keineswegs einen überflüfsigen Eindruck, wie auf anderen Bildern Dome-
nico's; vielmehr erfcheinen fie ganz an ihrem Platze; und der Künftler hat
cs vortrefflich verbanden, diefe Situation auszubeuten, um uns eine Reihe kerniger,
kräftiger Porträtgehalten vorzuführen. — Bei den beiden anderen Bildern füllt
eine überaus prächtige, in den Details klafflfch hilvolle, im Ganzen grofsartig freie
Architektur den Raum; und auf diefen beiden Bildern, fowohl der Behätigung
der Ordensregel, als der Behattung des Heiligen, ih die figurenreiche Scene
unauflöslich mit dem feinhen Gefühle für freie Symmetrie und fchöne Gruppirung
in den architektonifchen Raum hineincomponirt. Befonders originell ih dabei
 
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