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Kimpflinger, Wolfgang [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 2): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.44169#0179

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enge Verbindung zur Braunschweiger Staatsre-
gierung in rascher Folge 1934 an die Spitze der
staatlichen Hochbauverwaltung und 1935 als
Professor an die Technische Hochschule ge-
kommen. Noch im gleichen Jahr erhielt Herzig
den Auftrag für den Bau der neuen nationalso-
zialistischen Bildungsstätte. Anders als die Aka-
demie für Reichsjugendführung an der Wolfen-
bütteler Straße (s. dort), ist dem äußeren Er-
scheinungsbild dieser Architektur nicht ohne
weiteres der Hintergrund nationalsozialistischer
Ideologie anzusehen. Die in zusammenhängen-
der aber unregelmäßiger Anordnung plazierte
Gebäudegruppe enthält sich weitgehend über-
dimensionierter klassizistischer Formensprache,
wie sie in der Folgezeit für Repräsentationsbau-
ten des Dritten Reiches die Regel wurden. Her-
zig wählte als Material für die Außenhaut des
Skelettbaues eine weiß ausgefugte Klinkerver-
blendung in abgestuften Rottönen, ein fremder
Baustoff in einer Stadt, deren Erscheinungsbild
seit Jahrhunderten ausschließlich von Fachwerk
und Naturstein bestimmt wurde. Die Gebäude-
gruppe setzt sich aus mehreren formal eigen-
ständigen Baukörpern zusammen: Das domi-
nierende Zentrum bildet der blockhaft kubische
Turmbau mit sechs Geschossen und einem
umfangreichen Dachaufbau, dessen oberen
Abschluß ursprünglich die Kuppel einer Stern-
warte bildete, die nach Beschädigungen im
Zweiten Weltkrieg nicht wieder in der alten
Form erstellt wurde. Den Turmbau gliedern
durch alle Geschosse laufende, eng stehende
Wandpfeiler, die an ihren Stirnseiten in einem
plastisch vortretenden Zierverband gemauert
sind, ein Gestaltungsmittel, das abstrakt-geo-
metrisch und stilisiert-figürlich auch an anderen
Teilen der Gebäudegruppe Anwendung findet
und dem Mauerwerk eine abwechslungsreiche,
vielfältige Textur verleiht. Expressionistische
norddeutsche Backsteinarchitektur wirkte hier
vorbildhaft, besonders die Bauten Fritz Högers,
von dessen Anzeigerhochhaus in Hannover
(1927/28) Herzigs Entwurf insgesamt abhängig
zu sein scheint. Das flache Dach des Gebäudes
trägt umfangreiche Ausbauten: ebenfalls in Zie-
gelbauweise ausgeführt, erhebt sich, ost-west-
gerichtet, ein gestreckter Baukörper unter stei-
lem Satteldach mit einer Reihung von je fünf
Zwerchgiebeln an den Langseiten. Diese Giebel
öffnen sich in gedrungen spitzbogigen und mit
schmiedeeisernen Gittern gefüllten Toren zu je-
weils vorgelagerten Dachterrassen im Norden
und Süden. In entrückter Höhe umschließt die-
se Architektur einen auf sakrale Wirkung hin
konzipierten Raum, der als Feierhalle für den
nationalsozialistischen Totenkult entworfen wor-
den war. Den Abschluß dieser vielfältig gegie-
belten Dachlandschaft bildet der wiederum ku-
bische Unterbau der ehemaligen Halbkugel der
Sternwarte, der als Dachreiter dem Bau der
Feierhalle aufsitzt und mit seiner feinen, orna-
mentierten Lisenengliederung die Formenspra-
chen des Hauptbaukörpers noch einmal auf-
nimmt. Die verloren gegangene Sternwarten-
kuppel ist heute durch ein oktogonales
Oberlicht unter flachem Zeltdach ersetzt.
Ein ursprünglich zweigeschossiger, in den fünf-
ziger Jahren auf drei Geschosse erhöhter Ver-
bindungsbau leitet nach Norden über zum Ge-
bäude des Naturhistorischen Museums.
Während der Turmbau hinter einem begrünten
Vorplatz relativ weit von der Pockelsstraße

zurückliegt, springt die dreigiebelige Eingangs-
front des naturhistorischen Museums weit nach
Westen vor. Das dreigeschossige langgestreck-
te Gebäude liegt entsprechend der dreigiebli-
gen Fassade unter drei parallelen Sat-
teldächern, wobei dem breiteren Mittelgiebel
auch ein entsprechend höheres Dach ent-
spricht. Eine gleichmäßige Reihung engstehen-
der Fenster zwischen schmalen, figuriert ge-
mauerten Lisenen umläuft ohne Horizontalzäsur
den ganzen Bau. Kompakt und schwer wirken
dagegen die großen Dachflächen sowie die nur
mit Schlitzöffnungen bzw. kleinen Fenstern ver-
sehene Giebel- und Drempelzone. Der weiter
im Osten am Rand des Sportfeldes liegende
Turnhallenbau ist durch einen ebenfalls zweige-
schossigen und L-förmigen Verbindungstrakt
mit der Ostflanke des Turmbaues verbunden.
Die ornamental verlegten Ziegelverbände an
diesem Bau zeigen runenähnliche Formen. Die

Gebäude nördlich der Turnhalle sowie der Hör-
saalbau im Süden an der Constantin-Uhde-
Straße gehören nicht zur ursprünglichen Kon-
zeption der dreißiger, sondern sind Erweite-
rungsbauten der Technischen Hochschule aus
der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre.
Dem Hochschul- und Museumsbau gegenüber
begleitet die Westseite der Pockelsstraße zwi-
schen Katharinenstraße und Rebenring die
Restfläche einer alten Friedhofsanlage. Der Be-
gräbnisplatz wurde seit der Mitte des 18.Jh.
von der Katharinengemeinde genutzt. Ein klei-
nerer Teil der Gesamtfläche im Südosten diente
bis in das 20.Jh. hinein als Garnisonfriedhof,
der 1753 erstmals als Begräbnisplatz für „Mi-
litärpersonen“ erwähnt wird. Mit der Einrichtung
des Hauptfriedhofes an der Helmstedter Straße
(s.dort) ging die Zahl der Beisetzungen auf dem
Katharinenfriedhof allmählich zurück, und der

Constantin-Uhde-Str. 16, Hochschulbau, 1935, Arch. E. Herzig


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