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Kimpflinger, Wolfgang [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 2): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.44169#0193

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Ein fein gesponnenes Beziehungsgeflecht der
stilistischen Details binden die unterschiedli-
chen Großformen der Architekturen am Bur-
gundenplatz zusammen und harmonisieren die
platzbegrenzenden Bauten, die zunächst wenig
Geschlossenheit aufzuweisen scheinen. Hierbei
sind für das Gesamtbild Kleinformen wie die
teils mit, teils ohne Kämpfer ausgeführten, aber
durchweg quergesproßten Fenster ebenso ent-
scheidend wie der ungewöhnliche, quer gezo-
gene und grätig aufgetragene Putz, der aller-
dings nur die Bauten der „Nibelungen-Wohn-
bau GmbH“ im Süden, Westen und Norden
charakterisiert. Der Bauträger für die Ostzeile
war die „Gemeinnützige Mieter und Sparer
Baugenossenschaft Braunschweig“, die hier,
analog zu ihren anderen Bauten im Siegfried-
viertel einen Glattputz auftragen ließ.
Die städtebaulichen Leitbilder, die sich im Sieg-
friedviertel überlagern, werden ebenso wie die
architektonischen Strömungen, mit denen sie
realisiert worden sind, in der Gestaltung des
Burgundenplatzes beispielhaft anschaulich.
Neues Bauen und der rückwärts gewandte
behäbige Wohnungsbau der herannahenden
NS-Zeit stehen hier dicht beieinander und zei-
gen einen geradezu lehrhaften Ausschnitt der
architektonischen Vielfalt der Weimarer Zeit.

BIENRODER WEG, SCHUNTERSIEDLUNG,
STEINRIEDENDAMM
Die Bebauung nördlich des Siegfriedviertels be-
steht mit wenigen Ausnahmen aus Architektu-
ren jüngerer Zeit. Aus der Zeit der Jahrhundert-
wende stammen die schlichten Ziegelbauten
des Grundwasserwerkes am Bienroder Weg
(Nr. 48) und noch weiter im Norden an der
Bahnstrecke nach Gifhorn der Bahnhof Querum

(Forststraße 29). Während das heute stillgeleg-
te und zu Wohnraum umgenutzte ehemalige
Bahnhofsgebäude durch partielle Verkleidung
des Ziegelmauerwerkes und Anbauten stark
verändert ist, zeigt das 1902 eingeweihte Was-
serwerk noch mehr bauliche Originalsubstanz:
In einem langgestreckten, parallel zum Bienro-
der Weg verlaufenden, eingeschossigen Ge-
bäude befinden sich die technischen Anlagen
zur Filterung, Enteisnung und Aufbereitung des
Grundwassers. Es liegt mit seinen beiden Quer-
trakten unter flachgeneigten Satteldächern, die
Wandflächen sind mit Lisenen gegliedert und
haben stichbogige Fenster- und Toröffnungen.
Ein zweigeschossiges, ebenfalls als schmucklo-
ser Ziegelbau errichtetes Verwaltungsgebäude
gehört mit zur Anlage, die auch heute noch ein
wesentliches Glied in der städtischen Wasser-
versorgung ist. Mit dem Bau des Grundwasser-
werkes am Bienroder Weg wurde das alte Fluß-
wasserwerk im Bürgerpark (s. Nimes Str. 2)
außer Betrieb genommen und seine technische
Ausstattung nur noch für den Notfall betriebs-
bereit gehalten.
Der Bienroder Weg tangiert auf seinem weiteren
Verlauf nach Norden, kurz bevor er das
Flüßchen Schunter überquert, den Töstmann-
platz, Kernzone einer in nationalsozialistischer
Zeit errichteten Siedlung, von der heute aller-
dings nur noch wenige Bauten von denkmal-
pflegerischem Interesse sind: die zweigeschos-
sigen Reihenwohnhäuser Tostmannplatz 1, 2,
3, 4, 5, 6 und 18 sowie Riekestraße 23 und 24
geben innerhalb der im übrigen stark veränder-
ten Siedlung noch den besten Eindruck von der
historisierenden, auf die alte Braunschweiger
Fachwerktradition zurückgreifenden Bauweise,
in der der Kernbereich der 1937 errichteten
Siedlung ausgeführt wurde. Allerdings ist auch
in die Substanz dieser Bauten durch veränderte

Öffnungen in den mit Läden ausgestatteten
massiven Erdgeschossen, durch kleinere An-
bauten auf den Rückseiten und durch Dach-
flächenfenster bereits eingegriffen worden.
Der Bienroder Weg endet im Norden am Stein-
riedendamm, einer Querstrasse, die in westli-
cher Richtung auf das ehemalige Betriebs-
gelände eines Zweigwerkes der Fa. Büssing
führt. Das weitläufige Areal weist eine größere
Anzahl von Fabrikationshallen und anderen
Werksbauten aus der Zeit um 1940 auf, die
nach Aufgabe der Produktion seit einigen Jah-
ren anderen Nutzungen zugeführt wurden. Ar-
chitekturhistorisch interessant ist nur das jüngst
renovierte Verwaltungsgebäude (Steinrieden-
damm 15), ein dreigeschossiger Putzbau über
längsrechteckigem Grundriß, der mit seiner
klassizistisch anmutenden Fassadenorganisa-
tion ein typischer Bau aus der Zeit des Dritten
Reiches ist. Die Ostfront wird durch einen nur
im Putz hervorgehobenen dreigeschossigen Ri-
salit hervorgehoben, den ein in das Walmdach
greifender Dreieckkgiebel abschließt. Hier ist
das Emblem der Büssingwerke, eine Adaption
des Braunschweiger Löwen, mit der Jahreszahl
1941 dargestellt. Ein Turmanbau auf der Süd-
seite wurde wohl auch als Flak-Turm benutzt
und trägt auf einem Gesims über dem vierten
Geschoß an allen vier Ecken den nationalsozia-
listischen Adler in seiner typischen, leicht stili-
sierten Form. Nach Norden ist dem Hauptbau
ein langgestrecktes, zweigeschossiges Neben-
gebäude angefügt. Neben der Werksverwal-
tung waren in dem Bau auch die Konstruktions-
büros untergebracht.

Tostmannplatz 1 -4, Schuntersiedlung, 1937


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