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Eder, Josef Maria
Geschichte der Photographie (Band 1) — Halle (Saale), 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.27415#0240

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216

Siebzehntes Kapitel.

der Lichtempfindlichkeit chemischer Substanzen wesentlich vermehrte.
Die 4 Gesetze von Grotthuß sind:

1. Aus gewissen Auflösungen, besonders solchen, welche dissoziieren, trennt
das Licht die nächsten Bestandteile, so daß die durch die Trennung entstehende neue
Verbindung die unter den gegebenen Umständen möglichst große Differenz der Lös-
lichkeit zeigt. (Beispiel: Zinnchlorür in Wasser gelöst und mit Öl bedeckt, soll sich
in der Sonne rascher trüben als im Finstern, „wobei sich basisch salzsaures Zinn-
oxydul ausscheidet“, während das saure Salz gelöst bleibt.)

2. In Sauerstoff- und Chlor-Verbindungen, welche von dem Lichte zersetzt
werden, desoxydiert oder dechloriert das Licht gewöhnlich den ponderablen elektro-
positiven Bestandteil oder verhindert dessen Oxydation oder Chlorierung; gleichzeitig
oxydiert und chloriert es den elektronegativen oder indifferenten Bestandteil. (Beispiel:
Chlorsilber bildet im Lichte zuerst freies Chlor und dieses durch Einwirkung auf
Wasser Salzsäure, „indem der Sauerstoff des Wassers sich mit der +E des Lichtes
und das Silber mit der •—E des Lichtes verbindet“; Entfärbung der Eisentinktur.)

3. Auf Verbindungen, deren Bestandteile einer Hydrogenierung oder Dehydro-
genierung (Wasserstoffentziehung) fähig sind, wirkt das Licht in der Art, daß der
elektronegative Bestandteil hydrogeniert wird, während es den elektropositiven Be-
standteil dehydrogeniert, indem es zugleich seine imponderablen Elemente (±E) den
dadurch entstehenden neuen Verbindungen chemisch abtritt. (Beispiel: Wässerige
Jodstärke wird im Lichte farblos, indem sich Jodwasserstoff bildet1).

4. Wenn das Licht mit Sauerstoff und gewissen Salzlösungen in Wirkung tritt,
welche schon für sich allein eine Veränderung durch das Licht oder eine diesem gleiche
Reaktion erlitten haben, so desoxydiert es die imponderable +E des Sauerstoffgases
und oxydiert den nächsten elektropositiven Bestandteil des Salzes usw. usw. (Beispiel:
Die blutrote Lösung von Eisensulf ozyanid wird durch Licht allein ent-
färbt, bei Gegenwart von Luft und Licht aber wieder gerötet.)

Diese Thesen von Grotthuß fanden wenig Anklang bei den Zeitgenossen;
sie gerieten ganz in Vergessenheit, als die Berzelius sehe dualistische elektro-
chemische Theorie später fallen gelassen wurde1 2). Jedoch darf man nicht übersehen,
daß die Grundidee, welche Grotthuß in seine photochemischen Thesen legte,
nicht gänzlich den neuesten Anschauungen der physikalischen Chemie ferne steht,
da die chemischen Affinitätskräfte wesentlich elektrischer Natur sind.

Der Grundsatz, daß lichtunechte Farbstoffe hinter farbigen Glä-
sern nur durch jene farbigen Lichtstrahlen gebleicht werden, die sie
absorbieren, (komplementäre Farben), aber von der eigenen Farbe
(die sie reflektieren), geschont werden, führte später zu den zahl-
reichen photographischen „Ausbleichverfahren“ oder „Far-
ben- Anpas sungs verfahren“3); sie geben die Möglichkeit
der direkten Körperfarbenphotographie.

1) Diese Reaktion wurde später als ein bloßes Entweichen des Jod durch Wärme-
wirkung erkannt und ist das Beispiel somit nicht zutreffend.

2) Vgl. Traube, Grundriß der physikalischen Chemie, 1904.

3) Über die Geschichte des Ausbleichverfahrens und na-
mentlich über die Anteile Woreis und Neu hau ß’ schreibt Fr. Li mm er in
„Phot. Korresp.“ 1911, Nr. 608.
 
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