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Vierunddreißigstes Kapitel.
Fernrohr holländischer Art und die Anlage eines Bildwerfers für durchfallendes Licht
berechnet und seinem Geschäftsfreunde überlassen. Immerhin scheint sich schon ein
Ansatz zur Unzufriedenheit geltend gemacht zu haben, als der wirtschaftliche Wert
der Bildnislinse klarer hervortrat, so daß P e t z v a 1 die Größe seines Geschenks an
den Optiker richtiger erkannte und verständlicherweise bedauerte. Aber Voigt-
länder benutzte diese Sinnesänderung seines überragenden Mitarbeiters leider nicht
dazu, ihn durch einen festen Vertrag an sein Unternehmen zu binden, sondern glaubte
ihn für seine damaligen Leistungen mit dem Betrage von 2000 fl. (= 3400 Mark) ab-
finden zu können. Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Handlungsweise eines
Geschäftsmannes, der, wie man aus späteren Mitteilungen bestimmt weiß, von Petz-
vals Leistungen als Optiker sehr hoch dachte, auch aus der Verwöhnung erklärt, in
der die Wiener Optiker von den alten Leitern des Polytechnischen Instituts erhalten
worden waren. War doch Stampfers Tätigkeit an der Durcharbeitung der
Abstandsfolgen (Dialyte) von der P 1 ö ß 1 sehen Werkstätte nicht weiter anerkannt
worden, obwohl man in Wiener Gelehrtenkreisen mit Recht eine sehr bemerkenswerte
Leistung darin sah. Dem jungen Inhaber des Voigtländer sehen Hauses mag
es damals nicht als notwendig erschienen sein, P e t z v a 1 gegenüber eine ganz
andere Stellung anzunehmen. Wie weit seine ganz unbefangene Überschätzung der
eigenen Leistung ging, zeigt am besten sein an Petzval gestelltes Verlangen,
mit seiner Bestimmung der Brech- und Zerstreuungszahlen in dem wissenschaftlichen
Bericht zu erscheinen, den der Gelehrte über die Grundlagen seiner Rechnung im Jahre
1843 erscheinen ließ. Daß ihm dieser Wunsch versagt wurde, scheint ihn beinahe mehr
als die persönliche Streiterei mit dem scharfer Ausdrücke frohen Gelehrten verletzt
zu haben.“
„Der Geschichtsforscher von heute kann diese Trennung einer nach übermäßig
glänzendem Erfolge nur sehr kurze Zeit —- kaum über zwei Jahre — weitergeführten
Arbeitsgemeinschaft gar nicht genügend beklagen. Nach allem, was wir wissen, hätte
P e t z v a 1 auch weiter Bedeutendes zu leisten vermocht, wenn er in enger Fühlung
mit den Anforderungen einer optischen Werkstätte geblieben wäre.J) Er hätte dann
die Mängel in der Anlage sowohl seiner Landschaftslinse (des Orthoskops) als auch
seines Schnellarbeiters erkannt und verbessert. Solche sind vorhanden und stechen
scharf von der ganz vollkommenen Anlage seiner Bildnislinse ab. Wenn man aber
berücksichtigt, in welch geistvoller Weise er in der Mitte der fünfziger Jahre die Farben-
fehler auch der Bildnislinse behob, und wenn man weiterhin die als „verkitteter Dialyt“
bekannt gewordene Doppellinse ihm zuschreibt, was doch zum mindesten wahrschein-
lich ist, so kann man nur über das Mißgeschick klagen, das die Vollendung des eigent-
lichen Wiener Zeitraumes der technischen Optik so jäh abschnitt.“
„So konnte es denn kommen, daß ein guter Kaufmann und gewissenhafter
Handwerksmeister für lange Jahre einen großen Ruf als Hersteller anerkannt voll-
kommener Aufnahmelinsen bewahren konnte, obwohl er zu einer Weiterentwicklung
dieser Geräte so gut wie nichts beigetragen hat.“ 1
1) Wie die Meisterleistung P e t z v a 1 bei der Konstruktion seines Poträt-
objektives noch weit ins 20. Jahrhundert Anregung für die rechnenden Objektiv-
Konstrukteure gab, zeigt das englische Patent Nr. 329 144 vom 3. Mai 1929, das
A. Warmisham und Kapella für modifizierte „Petz val-Cine-
Lenses“ von der enormen Lichtstärke f/l,8 nahmen (Eder).
Vierunddreißigstes Kapitel.
Fernrohr holländischer Art und die Anlage eines Bildwerfers für durchfallendes Licht
berechnet und seinem Geschäftsfreunde überlassen. Immerhin scheint sich schon ein
Ansatz zur Unzufriedenheit geltend gemacht zu haben, als der wirtschaftliche Wert
der Bildnislinse klarer hervortrat, so daß P e t z v a 1 die Größe seines Geschenks an
den Optiker richtiger erkannte und verständlicherweise bedauerte. Aber Voigt-
länder benutzte diese Sinnesänderung seines überragenden Mitarbeiters leider nicht
dazu, ihn durch einen festen Vertrag an sein Unternehmen zu binden, sondern glaubte
ihn für seine damaligen Leistungen mit dem Betrage von 2000 fl. (= 3400 Mark) ab-
finden zu können. Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Handlungsweise eines
Geschäftsmannes, der, wie man aus späteren Mitteilungen bestimmt weiß, von Petz-
vals Leistungen als Optiker sehr hoch dachte, auch aus der Verwöhnung erklärt, in
der die Wiener Optiker von den alten Leitern des Polytechnischen Instituts erhalten
worden waren. War doch Stampfers Tätigkeit an der Durcharbeitung der
Abstandsfolgen (Dialyte) von der P 1 ö ß 1 sehen Werkstätte nicht weiter anerkannt
worden, obwohl man in Wiener Gelehrtenkreisen mit Recht eine sehr bemerkenswerte
Leistung darin sah. Dem jungen Inhaber des Voigtländer sehen Hauses mag
es damals nicht als notwendig erschienen sein, P e t z v a 1 gegenüber eine ganz
andere Stellung anzunehmen. Wie weit seine ganz unbefangene Überschätzung der
eigenen Leistung ging, zeigt am besten sein an Petzval gestelltes Verlangen,
mit seiner Bestimmung der Brech- und Zerstreuungszahlen in dem wissenschaftlichen
Bericht zu erscheinen, den der Gelehrte über die Grundlagen seiner Rechnung im Jahre
1843 erscheinen ließ. Daß ihm dieser Wunsch versagt wurde, scheint ihn beinahe mehr
als die persönliche Streiterei mit dem scharfer Ausdrücke frohen Gelehrten verletzt
zu haben.“
„Der Geschichtsforscher von heute kann diese Trennung einer nach übermäßig
glänzendem Erfolge nur sehr kurze Zeit —- kaum über zwei Jahre — weitergeführten
Arbeitsgemeinschaft gar nicht genügend beklagen. Nach allem, was wir wissen, hätte
P e t z v a 1 auch weiter Bedeutendes zu leisten vermocht, wenn er in enger Fühlung
mit den Anforderungen einer optischen Werkstätte geblieben wäre.J) Er hätte dann
die Mängel in der Anlage sowohl seiner Landschaftslinse (des Orthoskops) als auch
seines Schnellarbeiters erkannt und verbessert. Solche sind vorhanden und stechen
scharf von der ganz vollkommenen Anlage seiner Bildnislinse ab. Wenn man aber
berücksichtigt, in welch geistvoller Weise er in der Mitte der fünfziger Jahre die Farben-
fehler auch der Bildnislinse behob, und wenn man weiterhin die als „verkitteter Dialyt“
bekannt gewordene Doppellinse ihm zuschreibt, was doch zum mindesten wahrschein-
lich ist, so kann man nur über das Mißgeschick klagen, das die Vollendung des eigent-
lichen Wiener Zeitraumes der technischen Optik so jäh abschnitt.“
„So konnte es denn kommen, daß ein guter Kaufmann und gewissenhafter
Handwerksmeister für lange Jahre einen großen Ruf als Hersteller anerkannt voll-
kommener Aufnahmelinsen bewahren konnte, obwohl er zu einer Weiterentwicklung
dieser Geräte so gut wie nichts beigetragen hat.“ 1
1) Wie die Meisterleistung P e t z v a 1 bei der Konstruktion seines Poträt-
objektives noch weit ins 20. Jahrhundert Anregung für die rechnenden Objektiv-
Konstrukteure gab, zeigt das englische Patent Nr. 329 144 vom 3. Mai 1929, das
A. Warmisham und Kapella für modifizierte „Petz val-Cine-
Lenses“ von der enormen Lichtstärke f/l,8 nahmen (Eder).